Sonntag, 29. Juli 2012 Mercedes-Benz GL-Klasse: Ich bin ein Amerikaner
Foto:Auto-Medienportal.Net/Daimler
Amerika, das Land des unbegrenzten Wunderns: Allein schon in New Mexico die Altrocker im Städtchen Madrid, Spielcasinos und Indianerland, Sprit für 70 Eurocent den Liter, Alternative in Earthship mit autonomen Häusern (die Europaversion für 369 000 US-Dollar), deren Achtzylinder-Trucks, halbe Häuser auf Tiefladern, weite Prärie und mittendrin der Mercedes-Benz GL, der große Geländewagen der Stuttgarter, gebaut im US-Bundesstaat Alabama. „Hier gehört er hin“, sagt einer der Entwickler jetzt bei der Vorstellung der zweiten Generation der siebensitzigen Gelände-Luxus-Hochlimousine in Santa Fe, und meint damit nicht nur den US-Bundesstaat New Mexico, sonder die kompletten Vereinigten Staaten. Im vergangenen Jahr wurde sein Vorgänger in den USA rund 25 000 Mal verkauft. Damit ist der Mercedes im Mutterland der großen SUV in seinem Segment mit Abstand Marktführer, natürlich als Achtzylinder-Benziner mit fünf Litern Hubraum.
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In Deutschland, wo die US-Stückzahl nicht einmal annähernd erreicht wird, hat der Diesel die Nase vorn, als Sechszylinder im Mercedes-Benz GL 350 GL Blutec 4Matic zum Basispreis von 72 471 Euro. Mit dem GL 500 4Matic Blue Efficiency für 94 605 Euro bieten die Stuttgarter hierzulande auch einen Achtzylinder-Benziner an. Erstmals wird es nun mit dem GL 63 AMG für 130 305 Euro auch eine Version aus Afalterbach geben, die mit 410 kW / 557 PS und allen Kennzeichen der Performance-Marke des Konzerns eher weit östlich von Stuttgart Freunde finden wird, wo der AMG-Zwölfzylindern in der alten G-Klasse immer noch viele Abnehmer findet.
Gegen die Leistungsdaten des AMG-GL nehmen sich die des GL 350 Bluetec fast bescheiden aus, obwohl sich der mit seinen 190 kW / 258 PS auch nicht gerade untermotorisiert anfühlt. Er schwingt seine Masse in nicht einmal acht Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h. Auf der Hochebene von New Mexico und bei Höchstgeschwindigkeiten auf dem Highway von maximal 110 km/h ließ sich kein Verbrauchswert feststellen, der zu mitteleuropäischen Verhältnissen passt. Wir hatten den Eindruck, dass wir eher unter dem angegebenen Durchschnittsverbrauch von 7,4 bis acht Litern auf 100 km blieben. Der aktuelle Normverbrauch des Bluetec-Motors (SCR) mit Harnstoffeinspritzung liegt übrigens um 20 Prozent unter dem des alten und erfüllt bei den Emissionen bereits die Euro 6.
5,12 Meter Fahrzeuglänge, 1,93 Meter Breite und 1,85 Meter Höhe - das sind wahrhaft amerikanische Maße, mit denen sich der GL nicht von den anderen großen Amis abhebt. Obwohl er leer fast 2,5 Tonnen wiegt, zählt er in den USA in seiner Klasse aber noch zu den Leichtgewichten. Die Amis bringen schon mal eine halbe Tonne mehr an den Start und brauchen ein zusätzliche Liter.
Der neue GL will mehr noch als die erste Generation das Niveau der S-Klasse beim Komfort und besonders bei den Geräuschen erreichen. Das erweist sich dank steifer Karosserie, Feinarbeiten an der Aerodynamik und neuen Isolierungen als nicht übertrieben. Ob Diesel oder Benziner – innen kommt so gut wie kein Fahrgeräusch mehr an. Dafür umgibt einen im Innenraum nun mehr noch als beim Vorgänger das für die Limousinen typische Mercedes-Benz-Ambiente. Vorbei die Erinnerung an die Geschichte der G-Klasse als Nutzfahrzeug, die man beim Vorgänger noch erahnen konnte. Jetzt steigt man in eine Luxus-Limousine ein, sitzt allerdings deutlich höher und hat eine bessere Sicht nach allen Seiten als bei so manchem modernen Aspahltrutscher.
Geländetauglich ist der GL auch noch, erst recht, wenn man das On&Offroad-Paket für 2261 Euro erwirbt. Dann stehen sechs Fahrprogramme zur Verfügung, eine 100-Prozent-Sperre am Mitteldifferenzial, Geländereduzierung, Unterschutz für den Motor, verstärkter Unterboden, drei Niveaus für die Luftfederung und eine spezielle Gelände-Software für ABS und ESP. Das Paket wird sicher gekauft werden, obwohl auch schon die Serienversion mit kurzen Überhängen, großen Böschungswinkeln und einer Wattiefe von 50 Zentimetern erstaunlich geländetauglich aufgestellt ist. Der Trend geht auch in dieser Fahrzeugklasse zur Vollausstattung, selbst wenn kaum jemand seinen schönen GL ins harte Gelände treiben wird. Aber man könnte, wenn man wollte. Und warum sollte man das nicht zeigen.
Der GL nimmt einem rasch die Sorge vor seiner Größe. Selbst der Wendekreis von immerhin 12,20 Metern verhindert sich, dass man den Umgang mit dem großen G rasch als mühelos empfindet. Motor, Automatik, Federungen, Lenkung, die geringen Fahrgeräusche und der Komfort lassen den Eindruck von Größe in den Hintergrund treten. Sie wird nicht als Bedrohung, der GL dafür aber als sicherer Hort erlebt. Das Auto als Burg – das ist eine Empfindung, die viele Amerikaner teilen. Kann man sich’s leisten, fährt die Mutter in der Familie das große SUV, auch die alternative Mutter aus Earthship, der Sicherheit wegen. (ampnet/Sm)
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