Freitag, 20. September 2013 Mercedes-Benz S63 AMG: Nur kein Neid!
Foto:Auto-Medienportal.Net/Daimler
Eigentlich war klar, was passiert, wenn ein Mercedes-Benz S63 AMG seinen ersten Ausritt mit der Presse erlebt. Und so kam schon nach der ersten Etappe die obligatorische Frage: „Wer braucht schon solch ein Auto?“ Statt des sonst üblichen lauten Schweigens, gab es diesen Mal eine Antwort: „Ich“, rief ein Kollege und brachte es damit auf einen ganz kurzen Nenner. Mal ehrlich - wer würde nicht diesen Luxus-Kraftpaket oder ein anderes Spitzen-Automobil sein Eigen nennen wollen? In den klassischen Märkten von AMG in Nordamerika, China und Russland finden sich genug Menschen, die nicht nur wollen, sondern auch können. Aber auch unter denen geht es nicht nur um die pure Leistung, sondern um das Bewusstsein, Spitzentechnik zu erwerben, am besten das beste Auto der Welt.
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In den typischen AMG-Märkten übt man wenig Zurückhaltung. Man zeigt gern, was man hat. In Deutschland werden sich die Käufer anders verhalten. Es grenzte an ein Wunder, wenn mehr als die Hälfte der hier abgesetzten S63 mit Typenschildern am Heck und an der Seite herumfahren würden. Wer sich hier ein solches Auto gönnt, der übt sich soweit es geht in Understatement.
Nun ist die neue S-Klasse als Symbol für die Bescheidenheit ihres Besitzers ungeeignet. Aber sie ist ein akzeptiertes Gefährt für die hohen Dienstgrade in unserer Gesellschaft. Das muss man nicht toppen, etwa mit martialischem, die Leistung herausstreichenden Zierrat. Die AMG-Designer sahen das wohl ebenso. Denn die Lufteinlässe vorn sind zwar größer und an den Seiten ziehen zusätzliche Schweller die Karosserie optisch in Richtung Asphalt, aber der S63 ist ganz S-Klasse mit ihrer typischen, schlanken Eleganz.
Innen darf es dafür ein bisschen mehr sein. Hier erleben die Insassen AMG zum Beispiel bei den neu entwickelten Sportsitzen, die noch mehr Seitenhalt bieten, aber nichts an Komfort vermissen lassen. Hier findet sich überall AMG, denn alles wurde nach Art des Hauses getrimmt, selbst die Grafik im großen Farbdisplay.
Akustisch hält sich der S63 AMG passenderweise mehr zurück als seine Stallgefährten, die ebenfalls den 5,5 Liter V8-Biturbo unter der Haube haben. Erstmals setzt AMG eine kennfeldgesteuerte Abgasklappe ein, so dass beim Fahrprogramm C wie Controlled Emissions der Motor beim Start nicht mehr die Nachbarschaft zusammenruft. Und auch in den Programmen S wie Sport und M wie Manuell hält sich der S63 akustisch eher zurück: nix Krawall, nur dezente Freude am Achtzylinder-Sound, sofern die gute Isolation der S-Klasse den in den Innenraum lässt.
Von der überarbeiteten Vorderachse erhält der Fahrer mehr Rückmeldung als bisher. Und auch der neue 4Matic-Allradantrieb ist auf Agilität getrimmt, weil er die Kraft ein Drittel zu zwei Drittel zugunsten der Hinterachse verteilt. So wird mit der Sieben-Gang-Automatik (AMG Speedshift MCT-Sportgetriebe) aus dem Zweitonner ein großer Bruder Leichtfuß.
Ganz „leichtfüßig“ wie bei Version mit dem klassischen Heckantrieb geht es allerdings beim Allrad nicht zu. Denn die Magic Body Control, die Schlaglöcher und Schwellen erstaunlich wirksam wegbügelt, bleibt dem Hecktriebler vorbehalten. Aber sonst ist bei beiden Versionen alles an Bord, was Fahrwerks-, Komfort- und Sicherheitssysteme der in dieser Hinsicht richtungweisenden S-Klasse vorweisen können. Dazu zählt die Möglichkeit, mit ein paar Einstellungen auch die Anfänge des autonomen Fahrens erleben zu können, wenn man das Fahrerassistent-Paket Plus an Bord hat und das Konzept „Intelligent Drive“ ausnutzen will.
Natürlich ist der S 63 AMG so weit vernetzt, wie das heute schon geht. Die Energie dazu ebenso wie den Strom für alle anderen Fahrzeugfunktionen zieht der S63 übrigens aus einer Lithiumionen-Batterie. Die spart allein schon 20 Kilogramm. Die AMG-Schmiederäder bringen auch ein paar Kilogramm Mindergewicht, ebenso die Kofferraummulde aus Carbon. So blieb selbst der Allradler trotz seiner 70 Extrakilos knapp unter zwei Tonnen Leergewicht.
Die 4Matic Version schafft dem Sprint von 0 auf 100 km/h in 4,0 Sekunden und damit 0,4 Sekunden schneller als der Hecktriebler. Dafür verlangt der Allrad rund 0,2 Liter Benzin mehr auf 100 Kilometer. Der Normverbrauch beim 4Matic liegt im Durchschnitt nach EU-Norm bei 10,3 Liter. Damit unterbietet der Motor mit sein 430 kW / 585 PS und 900 Newtonmeter maximalem Drehmoment trotz höherer Leistung seine eigene Klassenbestleistung im Vorgänger um 0,4 Liter.
Während der Testtour durch die österreichischen und deutschen Alpen lagen wir zwischen zwölf und 14 Litern. Reicheren seien darauf hingewiesen, es gibt auch S-Klassen mit drei Litern Normverbrauch. Doch die vermitteln dem Fahrer eine andere Art von Souveränität als der beruhigend brummende, ständig sprungbereite Achtzylinder. (ampnet/Sm)
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