Samstag, 28. Juni 2014 Mercedes-Benz S Coupé: Eine Frage der Neigung
Mercedes-Benz S63 AMG Coupé. Foto:Auto-Medienportal.Net/Daimler
Wer es sich leisten kann, gibt beim Autokauf gern seinen Neigungen nach. Dafür lieferten die Coupés der S-Klasse schon immer gute Beispiele. Es gab keine elegantere Art, der Umwelt mitzuteilen, dass man nun geneigt ist, seinen Neigungen für jedermann sichtbar nachzugehen, weil man es geschafft hat, die Kinder aus dem Haus sind und man es nicht mehr nötig hat, Rekordzeiten zu fahren, obwohl man das könnte. Doch das neue Coupé der S-Klasse verschiebt die Außenwirkung des großen Coupés deutlich. Ab September wird sich bei Händlern ein anderes Coupé der S-Klasse vorstellen: kürzer, breiter, niedriger und mit deutlich anders ausgeprägtem Charakter. Die Eleganz der klassischen Coupé-Linie wird nun überlagert von einem markanten Gesicht sowie von der unteren, der aufsteigende und der oberen abfallende Linie auf den ehemals glatten Seitenflächen und einem kräftigen Heck.
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Leise und 455 Acht-Zylinder-PS beim S500? Das klingt erst recht bei den 585 PS der AMG-Version nach Widerspruch. Der aber löst sich auf. Beim S500 reduziert sich das Motorgeräusch auf ein leises Brabbeln ganz unten im Keller, bis man die acht Zylindern mit dem Gaspedal auffordert, Leistung zu zeigen. Dann wird es lauter, weil sich im Auspuff Klappen öffnen, die den Klang in die Außenwelt und an die Ohren der Mitfahrer entlassen. Der AMG gönnt sich dann natürlich ein paar Phon mehr als der S500. Es bleibt aber bei beiden bei einem satten Röhren, ohne Kreisch-Anteile, wie sich sie bei höheren Drehzahlen einstellen können. Das Ergebnis sind bei beiden Versionen Fahrleistungen, die man als sehr angemessen bezeichnen darf. Der S500 schafft den Sprint von 0 auf 100 km/h ganz unaufgeregt in 4,6 Sekunden, der S63 in 3,9 Sekunden. Das wirkt dann schon spektakulärer, aber immer noch fast unangestrengt. Bei der Angabe der Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h zeigt Mercedes-Benz Größe. Man verzichtet auf den sonst so üblichen Hinweis: „elektronisch abgeregelt“. Doch soviel Leistung führt schnell zu den Frage: Wer braucht denn bei einem Zweit-Tonner mehr als 455 PS? Die Frage beantwortet sich, wenn man die beiden Versionen nacheinander fährt: Zwei Arten von Souveränität stecken in einem Blechkleid: Der S500 4Matic Coupé steht für den überzeugenden Auftritt, der S63 AMG mehr für den überzeugenden Antritt. Die Extra-Elemente im Design bis hin zu Diffusor und vier- statt zweiflutigem Auspuff, die größeren Räder zeigen, was der Fahrer erleben und wie er gesehen werden will. Innen erwartet den Mann am Sportlenkrad ein sportlich schwarz geprägtes Innenleben, wenn er will mit opulenten Sportsitzen und Verkleidungen in einem rasanten Rot. Bei den S500-Modellen sind es eher die hellen bis weißen Innenräume, die überzeugen. In beiden Varianten steht einem zusätzlich zur großzügigen Serienausstattung noch ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen man den Preissprung von fast 126 000 für den S500 bis zum S63 für mehr als 170 000 Euro noch vergrößern kann, um seinen Neigungen noch mehr Ausdruck zu verleihen. Da bietet sich das LED Intelligent Light-System mit Swarovski-Kristallen – pro Seite 47 im Scheinwerfer und 30 in den Blinkern – für 3332 Euro an, das man aber nur zusammen mit dem Nachtsichtassistenten für 2477,50 erwerben kann. Und da ist das Magic Body Control-System Curve, dem dieser Text seinen Hang zum Wort Neigung verdankt. Denn beim Curve-System handelt sich um eine Neigetechnik, die den Wagen in die Kurve legt wie einen Radfahrer, also beim Auto die kurvenäußeren Räder anhebt. Die Daten dafür liefert die Stereokamera am oberen Rand der Windschutzscheibe, die die Straße beobachtet und als Magic Body Control die Federung aufs Schlagloch vorbereitet oder die aktive Luftfederung auf die Kurve. Weite Informationen für Curve (wie Kurve) liefern die Fahrzeugsensorik und der Fahrer mit seinem Lenkradeinschlag. Hermann-Joseph Storp, Leiter der Entwicklung S-Klasse, betonte, bei Curve handele es sich um ein Komfortsystem, das die Insassen in den Kurven von der Fliehkraft entlaste, so dass sie auch kurvenreiche Strecken stressfreier erleben. Doch natürlich hat Seitenneigung beim Auto wie beim Radfahrer Einfluss auf die Fahrdynamik. Curve soll das aber nicht ausnutzen, weshalb das System nicht nur in puncto Geschwindigkeit beschränkt wurde. Aber auch so ist der Effekt atemberaubend, fast so, wie man es vom Fahren am Computer kennt: Das Bild der Kurve passt nicht zur Querbeschleunigung auf dem Sitz. Dieses System hat der S500 der normalen S-Klasse voraus. Im Ganzen sind S500 und S63 AMG natürlich das Coupé zur S-Klasse. Storp nutze übrigens die Gelegenheit in der Toskana, um insgesamt sechs Varianten der S-Klasse anzukündigen. Drei kennen wir nun: die S-Klasse in kurz oder lang und nun das Coupé. Die vierte ist als „XXL“ angekündigt und soll dem Maybach nachfolgen. (ampnet/Sm)
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