Die Anhänger einer viersitzigen Freiluft-S-Klasse mussten sich lange, lange gedulden, bevor das automobile Traumschiff wieder mit einem Sonnendeck ausgestattet wurde. Ein Trost für die jahrzehntelange Warterei: Am Beispiel des S-Klasse-Cabrios bewahrheitet sich das Sprichwort, das gut Ding Weile haben will. Soll heißen: Die Open-Air-Neuerscheinung ist alles andere als mit heißer Nadel gestrickt – und dadurch ein Auto, nach dem man sich auf der Straße umdreht, das Geschichte schreiben und zur Ikone werden wird. Fast geht in dem Hype um das erste viersitzige S-Klasse-Cabrio seit 45 Jahren unter, dass durch dessen Premiere die Produktfamilie auf Rekordgröße anwächst. Die Kunden haben jetzt die Auswahl zwischen sechs Modellvarianten, wenn sie sich ein S-Klasse-Fahrzeug zulegen wollen, Limousine mit normalem und langem Radstand, Coupé und Cabrio, Mercedes-Maybach und Mercedes-Maybach Pullman. Sich über die exzellente Verarbeitungsqualität, das fantastische Design oder das einzigartige Fahrerlebnis mit dem S-Klasse-Cabrio auszulassen, hieße eigentlich, Eulen nach Athen zu tragen. Nirgendwo wird der aktuelle Mercedes-Slogan „Das Beste oder nichts“ kompromissloser umgesetzt als in der S-Klasse, die synonymhaft steht für das Nonplusultra um Luxusautobau. Das Cabrio macht da, natürlich, keine Ausnahme. Während die Optik für sich spricht, ist das, was die Ingenieure unter die Motorhaube gepackt haben, und das, was daraus auf der Straße resultiert, naturgemäß auf den ersten Blick nicht ganz so aufdrängend. „Das Beste oder nichts“ galt ganz offensichtlich bereits bei der Festlegung der Motorisierung. Wer kein Cabrio mit V8-Motor (4663 ccm Hubraum), 335 kW / 455 PS und 700 Newtonmetern Drehmoment haben will, wird bei dem S-Klasse-Open-Airler nicht glücklich. Die Neuerscheinung mit Ikonen-Potenzial gibt es zunächst nur mit dieser einen Triebwerkvariante – und kostet nicht zuletzt durch diese Aggregatwahl mindestens 139 000 Euro (wobei: eine Alternative gibt es schon, aber das AMG S 63 4Matic Cabriolet mit 430 kW / 585 PS und 900 Nm Drehmoment, geschöpft aus einem 5.461 ccm großen V8-Motor, ist dann noch einmal knapp 50 000 Euro teurer). Die Botschaft der Stuttgarter an die Fangemeinde eines S-Klasse-Cabrios ist eindeutig: Take it or leave it. Die Anzeichen deuten darauf hin, dass die potenzielle Kundschaft sich für das „Take it“ entscheidet – zumal die Fahrt mit dem offenen Kraftpaket keine Wünsche offen lässt (und wenn doch, gibt es, siehe oben, ja noch die AMG-Variante). In 4,6 Sekunden beschleunigt das 2,1 Tonnen schwere S-Klasse-Cabrio aus dem Stand auf 100 km/h – und würde die Elektronik nicht bei 250 km/h elektronisch abregeln, wäre wahrscheinlich eine Höchstgeschwindigkeit nahe der 300 km/h möglich. Ist das nicht ein Widerspruch zur Cabrio-Philosophie, der zu Folge das gemütliche Dahingleiten und nicht das auf Rekordzeiten zielende extrem dynamische Kurvenfressen im Mittelpunkt des Fahrerlebnisses steht? Die Frage ist zwar berechtigt, die Antwort fällt aber einfach aus: Die Sterne-Neuerscheinung ist für beide Einsatzgebiete geeignet. Wer Interesse an der entspannten Open-Air-Fahrt durch eine Frühlingslandschaft interessiert ist, wird sich wohl keine luxuriösere Umsetzung als im S-Klasse-Cabriolet vorstellen können – vom Airscarf, der warme Luft in den Nacken bläst, über die Sitzkühlung bis zum – was für ein Wort! – dem „Zugfreihaltungskomfort“ dienenden zusätzlichen Windschutzsystem Aircap haben die Tüftler bei Mercedes nichts unversucht gelassen, um jede Fahrt mit dem S-Klasse-Cabriolet zu einer besonderen zu machen. Das mehrlagige Verdeck öffnet und schließt dabei auch während der Fahrt bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h. Wegen eines plötzlichen Regenschauers rechts ranfahren, um das Verdeck zu schließen? Das war einmal. (ampnet/nf)
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