Freitag, 29. Juli 2016 Mercedes-Benz S 500 4Matic: Alles drin, alles dran
Mercedes-Benz S 500 Foto:Hersteller
Alles drin, alles dran, wie bei dem Klops, den die Schwaben „Fleichküchle“ nennen. Zu dieser respektlosen Charakterisierung gelangten wir rasch bei unserer Erfahrung mit dem Mercedes-Benz S 500 4Matic. Auch dieser 500er reiht sich bei seinen Vorgängern ein als der Gipfel des Luxus. Aber er ist mehr als das, lehrt einen der große Mercedes beim Fahren. Mit dem Debüt der S-Klasse Baureihe W 126 war der 500 SE ab 1979 das Maß aller Dinge im Reich der Oberklasse-Limousinen. Für den Kenner entfielen bald Hersteller und Baureihe in der Bezeichnung. Es genügte der magische Begriff „Fünfhunderter“ und jeder wusste Bescheid: Wer einen Fünfhunderter fuhr, hatte es geschafft. Mehr als 35 Jahre und vier Generationen später gilt das noch immer. Alleine der Basispreis des aktuellen S 500, natürlich als 4Matic in Höhe von 111 027 Euro belegt, dass vor der Anschaffung auf jeden Fall eine persönliche wirtschaftliche Erfolgsgeschichte stehen sollte.
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Freilich ist ein Fünfhunderter heute weder innerhalb der S-Klasse noch im Reich der Oberklasselimousinen das Maß aller Dinge. Eher das Angebot für den Pragmatiker, dem diesel- oder gar hybridbefeuerte S-Klassen ein allzu politisch/ökologisch korrektes „G‘schmäckle“ anhaften, wie das der Schwabe zu bezeichnen pflegt, wenn ihm etwas unaufrichtig erscheint. Dem auf der anderen Seite jedoch die Leistungsmonster der Baureihe mit V12-Motoren, AMG-Herkunft oder gar die Maybach-Derivate zu extrovertiert oder gar oligarisch erscheinen. 1981 mit Einführung des geregelten Dreiwege-Katalysators genügten dem Fünfhunderter 170 kW / 231 PS aus echten fünf Liter Hubraum. Der Urenkel treibt bei seiner Modellbezeichnung einen Hauch Etikettenschwindel, weil sein Achtzylinder nur über 4,7 Liter Hubraum verfügt. Dafür stehen ihm zwei Turbolader zur Verfügung, die die ursprüngliche Leistung bis heute auf 335 kW /455 PS quasi verdoppelt haben. Dank zahlreicher elektronischer Assistenzsysteme und Allradantrieb zoomt der S 500 4Matic, obwohl mit 2050 Kilo Leergewicht über die Jahre rund 400 Kilo moppeliger geworden, vollkommen schlupffrei aus dem Stand in 4,8 Sekunden auf Tempo 100. Bei abgeregelten 250 km/h endet der Vortrieb. Damit hätte der 500 S 4Matic 1981 im Sprint sogar den stärksten und schnellsten deutschen Serienwagen abgeledert. Der Porsche 911 Turbo benötigte damals für Null auf Hundert 5,8 Sekunden. Freilich zählte in jenen Tagen ein 500 SE mit seinen 7,6 Sekunden für den Standardsprint und den 230 km/h Höchstgeschwindigkeit zu den wirklich Schnellen im Lande. Wenn die Stuttgarter Luxuslimousine in voller „Fleischküchle“-Aromatik antritt, wirkt ihr Ahn dagegen karg wie eine Fahrradrikscha. Mit flauschigem „designio“-Napppa bezogene Sitze, ach was, Fauteuils, massieren, klimatisieren und betütteln die Passagiere wie eine Wellnessoase – zugfrei und individuell auf allen Plätzen mit Wunschklima belüftet. Die Kombination aus Luftfederung und mehr als drei Meter Radstand verleiht dem Fahrkomfort ein kaum zu überbietendes Verwöhnaroma. Die Neun-Gang-Getriebeautomatik verwaltet zudem lautlos und quasi ruckfrei das üppige Leistungsangebot und das noch üppigere maximale Drehmoment von 700 Newtonmetern diskret wie eine traditionsreiche Privatbank ererbtes Millionenvermögen. Ein Fünfhunderter ist seit jeher das Fahrzeug des Erfolgsmenschen, der selbst gerne ins Lenkrad greift. Nicht weil er sich einen Chauffeur nicht leisten kann, sondern weil der Achtzylinder-Mercedes auch eine Menge Fahrspaß vermittelt. Zwar fällt heute sein Blick auf breite Digitalanzeigen, die sich zudem vielfältig programmieren lassen und nicht mehr auf klassische Rundinstrumente, aber gegen das reduzierte Cockpit mit dem riesigen Lederlenkrad des 500 SE, Baujahr 1981, vermittelt der S 500 aus dem Modelljahr 2016 doch viel mehr standesgemäßen Sexappeal. Natürlich erweist sich der Fahrspaß des S 500 hauptsächlich auf der Langstrecke. Sportives Kurvenräubern auf gebirgigen Landstraßen widerspricht seinem Naturell. Beim Kostenkapitel treffen sich Gegenwart und Vergangenheit. Es gehört zu Mercedes wie der Stern auf den Kühler, dass der Basispreis ein wunderbares Beispiel bildet, den Begriff „unverbindliche Preisempfehlung“ zu erläutern, denn am Umfang der Preisliste für optionale Ausstattung hat sich im Schwabenland seit über 35 Jahren nichts geändert. 1981 kostete ein 500 SE genau 52 681 Mark.
Die Unterhaltskosten haben für den Eigner eines Fünfhunderters traditionell nie eine wichtige Rolle gespielt. Deshalb erkennt er die 8,9 Liter Normverbrauch auf 100 Kilometer als so realistisch wie eine kurzfristige Rückzahlung der Staatsverschuldung. Bereits zügiger als eine Wanderbaustelle auf der Autobahn bewegt, zeigt die Verbrauchsanzeige schnell 14 oder 15 Liter an. D-Zug-Tempo rückt schon mal die 20-Liter-Marke in Aussicht.
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