Samstag, 11. August 2018 Maserati Quattroporte: Die S-Klasse aus Modena
Maserati Quattroporte. Foto: Auto-Medienportal.Net/Axel F. Busse
Man stelle sich vor, eine deutsche Luxusmarke würde ihre neue Limousine schlicht „Viertürer“ nennen. Hölzern, langweilig, unmöglich. Wenn das Auto aber „Quattroporte“ heißt, liegt der Fall anders. Der Name hat Melodie, hat Schmelz, klingt nach etwas ganz Besonderem. Jetzt gibt es den Italiener mit V6-Biturbo-Motor.
Etwas Besonderes war es damals auch, 1963, als Maserati den ersten Quattroporte auflegte. Seither reklamiert die Firma die Erfindung des viertürigen Sportwagens für sich. Die jüngste Überarbeitung der sechsten Generation hat ein paar technische Lücken geschlossen und den Abstand zu den anderen Spielern in der Premium-Liga verkürzt. Oder gar egalisiert? Das zeigt der Praxistest.
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Dank neuer Modelle und der Hinzunahme von Diesel-Antrieben ist die Dreizack-Marke in den letzten Jahren erheblich gewachsen. Seit 2013 hat sich der globale Absatz mehr als verdreifacht, wenn gleich das für 2015 angepeilte Ziel von 50 000 Fahrzeugen nicht erreicht wurde.
Es überrascht nicht, dass hierzulande das SUV Levante der beliebteste Maserati ist, zuletzt wurde das Zehnfache an Einheiten abgesetzt wie vom Quattroporte.
Falsche Bescheidenheit kann man Maserati beim Zuschnitt der Karosserie aber nicht vorwerfen. Mit einer Länge von 5,26 Metern und einem Radstand von 3,17 Metern überragt die „S-Klasse“ aus Modena sogar die Langversion des Stuttgarter Originals. Dennoch wirkt das 1,48 Meter hohe Fahrzeug in den Proportionen ausgewogen und gar nicht so massig, wie er tatsächlich ist. Markentypisch und deshalb unverzichtbar ist der tief angebrachte Frontgrill mit seinen senkrechten Chromstreben, dessen Überarbeitung eine verstärkte dreidimensionale Wirkung mit sich brachte.
Das Interieur sucht bei großzügigem Platzangebot die Synthese zwischen sportlichem Ambiente und gehobenem Komfort. Von Tür zu Tür gemessen können sich die vorderen Insassen in einer 1,49 Metern breiten Kabine räkeln, hinten sind es nur fünf Zentimeter weniger. Die Beinfreiheit für die Fondpassagiere ist enorm, weshalb der Quattroporte fraglos auch als Chauffeurswagen seine Berechtigung hätte. Für die üppig belederten Polster sind verschiedene Mustersteppungen erhältlich, das Dreizacklogo auf den Kopfstützen ist obligatorisch. Der Kofferraum bietet ein Volumen von 530 Litern, die Ladekante ist 70 Zentimeter hoch.
Rote Ziernähte, verschwenderisch verteilte Applikationen aus Karbon sowie Edelstahlpedale werten die Optik des getesteten Fahrzeugs noch auf, sind aber ebenso wie der Alcantara-Dachhimmel nicht ausnahmslos im GranSport-Paket enthalten. Das dreispeichige Sportlenkrad hat Maserati ebenfalls neu konzipiert, das Angebot an Funktionstasten ist sparsam und zweckmäßig. Zu den neuen Komfortfeatures gehört ein Luftgütesensor, der bei externen Schadstoffbelastungen verhindert, dass störende oder schädliche Partikel in den Innenraum gelangen.
Beim Quattroporte SQ4 wird ein aufgeladener Dreiliter-V6-Motor mit einem automatischen Allradsystem kombiniert. Nach der jüngsten Leistungsspritze gibt das Aggregat 430 PS (316 kW) ab und wuchtet zwischen 2250 und 4000 Umdrehungen 580 Newtonmeter an die Hinterachse. Stellen die Sensoren dort verminderten Grip fest, wird ein Anteil von bis zu 50 Prozent an die Vorderräder geleitet. So wird sicher gestellt, dass die heckbetonte Auslegung des Antriebs nur im Bedarfsfall einer 4x4-Variante weicht. Das ausgeklügelte Traktionsmanagement berechnet für jedes Rad Schlupf, Lenk- und Gierwinkel sowie weitere Parameter und verspricht so einen Sicherheitsgewinn bei unklaren Straßenverhältnissen.
Für Limousinen der Zwei-Tonnen-Klasse ist es eine besondere Herausforderung, sportlich-dynamischen Ansprüchen gerecht zu werden. Vor allem dann, wenn ihre Masse den Sollwert übersteigt. Das offizielle Datenblatt nennt für den SQ4 einen Wert von 1920 Kilogramm, gemessen wurden beim Testwagen (mit zu einem Viertel gefüllten Tank) 2070 kg. Die komfortorientierte Fahrwerksauslegung bleibt auch im Sportmodus erhalten, lediglich bei schlechtem Fahrbahnzustand wird die Verhärtung der Dämpfer spürbar und die Fuhre rollt etwas steifer ab. Auch im Normalmodus bleibt ein Verbrauch von unter zehn Litern ein unerfüllter Wunsch.
Fazit: „Nicht alltäglich, aber für jeden Tag“ – so preist der Hersteller seine Produkte. Dass die große Maserati-Limousine nicht alltäglich ist, glaubt man unbesehen, denn das belegt schon die Exklusivität im Straßenbild. Durch die Stärkung von Ausstattung und Konnektivität hat die Marke ihr Spitzenmodell attraktiver und wettbewerbsfähiger im Vergleich zu anderen Luxus-Viertürern gemacht. Nur eines kann man sich in Modena nicht kaufen: Unauffälligkeit. (ampnet/afb)
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