Das Gran Cabrio ist ein Edelschlitten von zeitloser Eleganz, gleichgültig, ob man ihn in geschlossenem oder offenem Zustand ansieht. Der tief angebrachte Frontgrill scheint die ankommende Luft verschlingen zu wollen, die sanft gewölbten vorderen Kotflügel könnten Erinnerungen an die legendären „Birdcage“-Rennboliden aus den 60er Jahren wecken.
Dass der Maserati ein bisschen in die Jahre gekommen ist, merkt man schon bevor man einsteigt. Heute käme das Auto vermutlich mit Türen auf den Markt, die ohne ein Schlüsselloch auskommen. Und wahrscheinlich mit einem Schlüssel, der mittels Öse irgendwo befestigt werden kann. In der alarmgesicherten Garage des heimischen Anwesens kann er ja eh gleich im Zündschloss bleiben, denn die angeblich so moderne Praxis des Druckknopf-Startens hat im Gran Cabrio noch nicht Einzug gehalten. Die schweren, weil sehr breiten Türen könnten zudem leichtergängige Lager vertragen, denn der übliche Stupser reicht oft nicht, um sie in dem fürs Aussteigen nötigen Winkel zu arretieren. Aber, Schwamm drüber! Die Qualität eines italienischen Sportwagens bemisst sich schließlich nicht daran, wie bequem man ein- oder aussteigen kann.
Wohl aber daran, ob und wie viel Vergnügen es bereitet, ihn zu fahren. Wer gezwungen ist, seinen Freiluft-Viersitzer in Hörweite von Nachbarn zu starten, sollte vorher schon mal Entschuldigungs-Zettelchen in die Briefkästen werfen. Der Schlüsseldreh entfacht ein enormes Getöse, das zwar standesgemäß ist, aber von Unbeteiligten nicht immer goutiert wird. Einen Wimpernschlag später grummelt das 4,7-Liter-Triebwerk lässig vor sich hin, bereit zu neuen Fanfarenstößen aus armdicken Endrohren. 460 Pferde warten darauf, vom Zügel gelassen zu werden, je nach Wunsch im Normal- oder im Sportmodus.
Doch zunächst ist Vorsicht geboten: Eine niedrige Bauweise, die geringe Bodenfreiheit eines echten Sportwagens und 2,94 Meter Radstand vertragen sich nicht unbedingt mit Mulden und Rampen, wie sie Grundstückseinfahrten oder Parkhäuser mitunter aufweisen. Unbeabsichtigte Bodenberührungen können die Folge zu großer Vorfreude auf die erste Ausfahrt sein. Die korrekte Sitzeinstellung hat man am besten bei noch geöffneter Tür erledigt, denn der schmale Spalt, der nach ihren Schließen zwischen Verkleidung und Sitz bleibt, reicht nur noch für eine Kinderhand. Die Sicht nach hinten ist bauartbedingt mäßig. Beim Rangieren hilft die serienmäßige Rückfahrkamera.
Doch dann kann man es „krachen“ lassen – und zwar im wörtlichen, nicht nur im übertragenen Sinne. Obwohl der Motor nach Herstellerangabe 4750 Umdrehungen braucht, um 520 Newtonmeter Drehmoment frei zu setzen, geht auch schon weit unter diesem Wert richtig die Post ab. Untermalt von einer souveränen Acht-Topf-Sinfonie schiebt der Maserati gewaltig an, wenn nötig, in fünf Sekunden auf 100 km/h. Die optische Qualität des Motors steht der technischen nicht nach. Eigentlich sollte man eine transparente Motorhaube bestellen können, damit auf dem Parkplatz auch andere etwas von dem kunstvollen Kraftwerk haben.
Die möglichen Fahrleistungen lassen keinen Zweifel an der Sportlichkeit des Gran Cabrios zu. Die gute Gewichtsverteilung (Motor hinter der Vorderachse) und ein Sperrdifferenzial sorgen dafür, dass die Hinterräder die Kraft verlustfrei auf die Straße bringen. Seinem Wesen nach ist der Luxusliner aber eher ein Cruiser als ein Sprinter.
Fazit: So kurzweilig und angenehm das Fahren in Maseratis großem Cabrio ist, so sehr wünschte man sich in einigen Details zeitgemäße Lösungen. Das gilt nicht zuletzt für die Ausstattung mit Assistenzsystemen. Wer nicht auf den Euro achten muss und auf Exklusivität Wert legt, ist mit dem Wagen gut bedient. Dass man unterwegs ein zweites Fahrzeug dieses Typs trifft, ist nämlich extrem unwahrscheinlich. (ampnet/afb)
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