102 Jahre währt die Geschichte von Aston Martin bis heute. Und sie könnte nicht abwechslungsreicher verlaufen sein, als ein Film-Abenteuer von Mr. Bond, James Bond, den Ian Fleming 1953 erfunden und bis zu seinem Tod 1964, mit gerade einmal 56 Jahren, durch zwölf Romane gescheucht hatte. Fast noch aufregender als die aktuellen Autos fällt die wirtschaftliche Bilanz des einzigen unabhängigen Sportwagenhersteller der Welt aus: Elf Besitzerwechsel, ein Konkurs und fünf Beinahe-Pleiten. Noch ist es nicht soweit, dass Pleitegeier Nr. 7 die Lufthoheit über Aston Martin erobert. Doch die Zeichen der Marke aus Newport Pagnell, einer Kleinstadt eine Bahnstunde nordwestlich von London entfernt, stehen auf Sturm. 2014 betrug der Verlust knapp 98 Millionen Euro, mithin doppelt so viel wie 2013. Weder Bond noch klingende Name der Unternehmensgeschichte konnten verhindern, dass im vergangenen Jahr nur 3500 Sportwagen einen Abnehmer fanden, 300 weniger als 2013. Damit haben sich die Verkäufe seit dem Rekordjahr 2007 in etwa halbiert. Für die schillernden Sportwagenhersteller gab es bislang nur zwei Möglichkeiten. Sie schlüpften unter die Fittiche großer Konzerne, wie Ferrari bei Fiat bereits 1969, Maserati 1993 ebenfalls bei Fiat, und Lamborghini 1998 bei Volkswagen. Den Rest der Exoten wie Bristol, Iso, Facel, Jensen, Marcos oder TVR, raffte die Pleite dahin. Zwar reihte sich Aston Martin zwischen 1987 und 2007 in den Ford-Konzern ein, doch die Nummer Zwei unter den amerikanischen Autobauern konnte mit dem schillernden Briten ebenso wenig anfangen wie mit den anderen europäischen Premiummarken Jaguar und Volvo, die eine Zeit lang zum Portfolio der Amerikaner zählten. Neben James Bond ist ein Name besonders eng mit Aston Martin verbunden: David Brown. Der Unternehmer, unter anderem durch den Handel mit Traktoren reich geworden, kaufte die Marke 1947 für 20 000 Pfund. Aston Martin war bis dahin eine Insiderlabel, bekannt hauptsächlich unter Motorsportenthusiasten, die der Hersteller in mehr als 40 Jahren gerade mit ein paar hundert Fahrzeugen versorgt hatte. David Brown war ab sofort Programm. Die Modelle erhielten als Abkürzung DB. Von der ersten Neukonstruktion DB 1, einem schnittigen Roadster mit zwei Litern Hubraum und 70 kW / 95 PS entstanden zwischen 1948 und 1950 nur 16 Exemplare. Erst mit dem DB 4 von 1958, der über einen standesgemäßen Reihensechszylinder mit 3,7 Litern Hubraum und 176 kW / 240 PS Leistung verfügte, etablierte sich die Marke, indem sie bis 1963 1185 Exemplare gegen Ferrari, Jaguar und Co. antreten lassen konnte. Mit dem DB 5 begann die Bond-Ära 1964. 210 kW / 286 PS stark, mit ausfahrbarer Schussblende im Heck, MG, Schleudersitz und drehbaren Nummernschildern ausgestattet, beflügelte eines der schönsten Coupés aller Zeiten die Phantasien der Autoenthusiasten ab acht Jahren, die sich dank Spielzeughersteller Corgi Toys den Wunsch nach einem miniaturisierten und funktionsfähigen Bond-Aston sogar mit ihrem Taschengeld erfüllen konnten. Für David Brown endete die Party 1972, als seine Mittel erschöpft waren. Trotz Stellenabbaus von 2400 auf 2100 Jobs und Rekordverlusten ist der amtierende Vorstandvorsitzende David Palmer optimistisch, die Krise zu meistern. Ein italienischer Fond und zwei Gesellschaften aus Kuweit haben als wichtigste Aktionäre 650 Millionen Euro frisches Kapital in Aussicht gestellt. Ob das reicht, künftig nicht nur auf Sportwagen zu setzten, sondern mit einer Luxuslimousine und Allradfahrzeugen auch gegen Bentley und Rolls-Royce antreten zu können und damit den Absatz bis 2023 auf 15 000 Einheiten mehr als zu vervierfachen, steht freilich in den Sternen. Bleibt noch der bewährte Rettungsfallschirm des solventen Großkonzerns. Daimler-Tochter AMG hat sich bereits mit fünf Prozent des Aktienkapitals bei Aston Martin eingekauft und soll Motoren für künftige Modelle der Briten liefern. Darf es am Ende etwas mehr sein? James Bond wird es danken. (ampnet/tl)
|