Die Weiterführung des „Landy“ bedeutet für die Briten ein schweres Erbe. Überall auf der Welt schätzten Offroadfahrer den Hochsitz fürs Grobe - so auch der Wildtierarzt in der gleichnamigen Serie "Daktari".
Unter strahlend blauem Himmel plustern sich die Staubwolken auf. Hier geht es auf und ab, über Stock und Stein, und schließlich auf die Autobahn. Im Land Rover Experience Center feiert der deutsche Arm der britischen Geländewagenschmiede die Ankunft eines Neulings, der bei den Motorjournalisten heiß begehrt ist. Optisch sind die Reminiszenzen an das Original von Weitem erkennbar. Besonders das schnelle Ende am Heck mit den separierten Rückleuchten wirkt wie ein Nachruf für die Legende. Die Front musste zugunsten der nötigen Aerodynamik geglättet werden. Dass das gelungen ist zeigt der Luftwiderstandsbeiwert von 0,38 cw. Mit LED-Technik in den klotzigen Scheinwerfern und einer unverkennbar kantigen Nase gibt sich der Neuling trotzdem ganz als Ikone.
Dabei ist das Design keinesfalls der Widerhall leerer Versprechungen, sondern – genau wie die neue Karosseriearchitektur D7x – eine Verpflichtung zur Nutzbarkeit. Das Aluminium-Monocoque ist die steifste Karosseriestruktur, die die britsche Allradmarke je in Serie gehen ließ. Das Konzept fußt außerdem auf maximaler Offroadtauglichkeit: So sind 90 Zentimeter Wattiefe mit dem optionalen Luftfahrwerk möglich, das per Knopfdruck um 14,5 Zentimeter angehoben werden kann.
Die Böschungswinkel vorne und hinten tendieren bei maximaler Höherlegung in Richtung der 40-Grad-Marke, und erst bei 45 Grad Neigung legt sich der Brite aufs Ohr. Auf identischem Niveau rangiert auch die Steigfähigkeit von 100 Prozent. Die Betrachtung der nackten Zahlen allein kann dem Defender 110 bereits hohen Nutzen im Gelände attestieren. Hinzu kommen Bergabfahrhilfe, Geländeuntersetzung und das intelligente Offroadsystem „Terrain Response 2“, das beim neuen Defender durch einen Wat-Modus ergänzt wurde.
Ausgerüstet mit diesen Technologien gelingt die Tour über den sonnengetrockneten Untergrund im Offroadpark Wülfrath im Handumdrehen. Weder 110 Prozent Steigung noch Gefälle können der Neuentwicklung imponieren. Durch das Luftfahrwerk ist eine hohe Verschränkung gewährleistet, die den Defender jederzeit in Kontakt mit dem Untergrund treten lässt. Das Fahrgefühl unterscheidet sich so enorm vom Vorgänger, dass auch mancher Range-Rover-Besitzer über den neuen Defender nachdenken darf.
Auf der Straße ist nichts mehr wie es war. Das Luftfahrwerk regelt ruhig und besonnen, die Lenkung arbeitet mit etwas künstlicher Präzision. Zeitgleich werden acht eng übersetzte Fahrstufen nacheinander in den Antriebsstrang gelegt, was den Common-Rail-Diesel mit doppelter Turboaufladung zu kernigem Klang und kräftigem Anzug animiert. In 9,1 Sekunden wird der bis zu 2,3 Tonnen schwere Tross auf Tempo 100 km/h befördert, als Höchstgeschwindigkeit stehen 188 km/h im Schein – 17 mehr als beim stärksten seiner Vorgänger, dem 405 PS starken Works V8. Damit ist der Neue sowohl für die Straße als auch fürs Gelände voll tauglich.
Auch im Innenraum setzt Land Rover auf Funktionalität und bietet im neuen Defender eine Spielwiese für Abenteurer. Eine robuste Optik, verziert mit Torxschraubenköpfen an den Türverkleidungen und an der Mittelkonsole, dominiert das Cockpit. Insgesamt gibt sich der Allradler aufs Wesentliche fixiert und mit üppigen Platzverhältnissen bestückt.
Der erste Eindruck des Defender 110 ist positiv. Nach 68 Jahren fußt der Defender auf einer neuen technischen Basis und wird damit – ob freiwillig oder unfreiwillig zu einem anderen Fahrzeug. Geländefahrten gelingen kinderleicht und auf der Straße gibt sich der Landy souverrän, entspannt und kräftig. Dabei entwickelt er einen eigenen Charakter, der in Zügen den des Range Rover übertrifft: Die Lenkung ist direkter, das Fahrwerk straffer und das Fahrgefühl ist dank der gelungenen Reminiszenzen im Innenraum einzigartig.
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