Montag, 11. November 2013 Range Rover SDV8: Seine Lordschaft auf Diät
Foto:Auto-Medienportal.Net/Busse
Innen hui, außen pfui: Edle Hölzer und feinste Lederbezüge im Cockpit, die Radhäuser schlammverkrustet – beim Range Rover ist das kein Widerspruch. Vielmehr ist es Teil seiner Identität. Was noch im runderneuerten Spitzenmodell steckt, zeigt unser Praxistest. Wenn Seine Lordschaft ein paar Pferdeanhänger von den regengetränkten Koppeln seiner weitläufigen Latifundien ziehen will, bleibt ihm bei der Fahrzeugauswahl kein großer Spielraum. Entweder er fordert bei den Streitkräften Ihrer Majestät einen Bergepanzer an, oder er verlässt sich auf seinen Range Rover. Die meisten Adelsmänner tun Letzteres.
Seit 42 Jahren schafft es Land Rover, ihr Alleinstellungsmerkmal zu verteidigen, wenn es darum geht, uneingeschränkte Geländetauglichkeit mit höchstem Komfort zu verbinden. Vom Monteverdi Safari in den Siebzigern einmal abgesehen, gab und gibt es nichts Vergleichbares. Bis mindestens 2016 wird das auch noch so bleiben, denn früher wird das Luxus-SUV von Bentley nicht fertig.
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Auch wenn die Kundschaft von derlei Fahrzeugen sich darum kaum schert: Die komfortablen Geländergänger haben in weitem Teilen der Bevölkerung ein Imageproblem. Größtes Hindernis für die freundliche Besprechung neuer Erzeugnisse dieser Art war stets die schiere Masse der klobigen Vehikel. Zweieinhalb Tonnen Leergewicht sind die Regel, beim Range Rover-Spitzenmodell waren es bisher sogar 2710 Kilogramm. Da könnte man bequem zwei Kompaktautos draus machen.
„Abspecken“ ist deshalb nicht nur in Fitness-Studios eine oft gehörte Vokabel. Nicht ohne Stolz weist Range Rover darauf hin, sein allseits bekannter Schwergewichtler habe 420 Kilogramm verloren. Der von uns gefahrene Range Rover SDV8 liegt im Mittelfeld der Modellpalette und bringt laut Hersteller 2360 Kilogramm auf die Waage. Das ist noch kein Zeichen von Magersucht, aber ein Fortschritt. Und mit 840 kg erlaubter Zuladung ist er wahrscheinlich der nobelste Lastesel, den man sich vorstellen kann.
Ein radikaler Schnitt in den Speck hat die Wende zu mehr Leichtigkeit gebracht. Das wirksame Diätprogramm heißt „Aluminium“, denn daraus besteht jetzt die Karosserie der neuen Modellgeneration. Der 4,4 Liter große Diesel leistet 250 kW / 339 PS, was einen Aufschlag von 26 PS gegenüber dem Vorgänger bedeutet. Mit 700 Newtonmetern Drehmoment stellt das Aggregat sogar den Kompressormotor des V8-Benziners in den Schatten. Ordentlich Schmalz also, auch wenn der EU-Norm-Verbrauchswert von 8,7 Litern im Drittelmix für die Praxis nur eingeschränkte Bedeutung hat. Trotz zurückhaltender Fahrt war dieser Range nicht dazu zu bewegen, weniger als 10,8 Liter je 100 Kilometer Diesel zu konsumieren.
Fünf Meter Länge und 1,83 Meter Höhe bei mehr als zwei Metern Breite (inklusive Außenspiegel) sind nicht nur stattliche, sondern Ehrfurcht gebietende Dimensionen. Der Fahrer legt sie dennoch alsbald ab, denn die Karosserie ist erstaunlich übersichtlich. Wenn es wirklich mal eng wird, helfen die Außenkameras beim Zirkeln durch die schmale Einfahrt oder am Bordstein entlang, damit die teuren Felgen nicht leiden.
Wichtig ist das erhabene Fahrgefühl, und davon bietet der Range Rover reichlich. Schließlich thront der Fahrer in fast einem Meter Höhe über der Krume. Wem das nicht reicht, der aktiviert die Offroad-Einstellung der Luftfederung und kann damit die Bodenfreiheit auf mehr als 30 Zentimeter erhöhen. Schwimmen kann der Range Rover zwar nicht, aber wenn es nass von unten wird, steht er ebenfalls besser da als alles, was sich sonst Luxus-SUV nennt: Bis zum 90 Zentimeter durchwatet er souverän und wenn Zweifel aufkommen, ob die Wassertiefe durchfahrfähig ist, gibt das Wade-Sensing-System (+350 Euro) die exakte Tiefe an.
Auch wenn Komfort-Niveau und Geräuschpegel zur Chauffeurs-Limousine taugen, sitzt man vorne besser als hinten. Nicht, dass es an Platz mangelt, aber die straffen Polster sind eher zum „darauf“ als „darin“ sitzen geeignet. Kuscheliger würde es mit den optionalen Business-Class-Einzelsessel im Fond, die man für 3790 Euro bestellen kann. So aber kann auf der Rückbank etwas Unruhe aufkommen, wenn der Fahrer das dynamische Potenzial der pracht- und kraftvollen Maschine auszunutzen beginnt.
Davon ist nämlich reichlich vorhanden, was sich nicht nur an der Marke von weniger als sieben Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h manifestiert. Schon ab 1750 Kurbelwellen-Umdrehungen, also früher als bei allen andern Range-Rover-Modellen, ist die volle Durchzugskraft da und der Dickhäuter zieht herzhaft an. Dass der Schwerpunkt ähnlich weit weg ist vom Boden wie der Mensch am Lenkrad, ist nicht zu verkennen, doch auch schnelle Kurvenfolgen erledigt der Range souverän.
Fazit: Wo der Range Rover steht, ist oben – das hat sich in mehr als 40 Jahren nicht geändert. Er verbindet umfassende Geländetauglichkeit mit High-End-Komfort. An diesem Auto keine Freude zu haben, ist praktisch unmöglich – wenn die finanziellen und räumlichen Voraussetzungen stimmen. (ampnet/afb)
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