Nun, in deinem hohen Alter hast du dir die Rente mehr als verdient. Anderthalb Jahre bleiben noch, ehe der letzte deiner Art Ende 2015 vom Band rollen wird. Wie dein Thronfolger aussehen könnte, hat man der Welt auch schon gezeigt – nicht, ohne gleich zu betonen, dass das noch nicht das letzte Wort sei. Nun gut, noch bist du ja da und für unter 30 000 Euro ladenneu zu haben. Deine Geländequalitäten stehen außer Frage, und deshalb wirst du ja auch gerne in der halben Welt gekauft – auch wenn mancher hierzulande mit dir und einem Anhänger nur vom Pferdehof zum nächsten Turnier fährt. Dein Charme strahlt aber seit Jahren immer auch wieder auf Menschen aus, die weder die große Bodenfreiheit noch den Vierradantrieb oder das Untersetzungsgetriebe benötigen. Kult hat eben nichts mit Zweckmäßigkeit zu tun. Und mich selbst überrascht es immer wieder, wie oft man dir auf der Autobahn begegnet – ganz ohne Anhänger, martialischem Dachgepäckträger oder Schmutz auf den Kotflügeln. Nehmen wir doch einfach einmal selbst Platz. Einstiegshilfen sind verpönt. Einen Haltgriff findet der Fahrer nicht. Das ist dir wohl allzu modisch und nur ein übertriebenes Merkmal weichgespülter SUV. Na, seien wir ehrlich, die dünne A-Säule hat überhaupt keinen Platz dafür. Also beherzt mit einer Hand in den Kranz des mächtigen Lenkrads gegriffen und über das (glücklicherweise montierte) Trittbrett hinauf- und hineingeschwungen. Der Beifahrer kann sich an dem massiven Griff für die Geländefahrt hochhangeln, der da ist, wo andere Fahrzeuge ihr Handschuhfach oder den Airbag haben. Nein, die Windschutzscheibe steht nicht senkrecht, aber weniger als 85 Grad dürften es auch nicht sen. Fast schon ein wenig verloren wirken die Mini-Scheibenwischer von anno dazu mal, die ihre Arbeit aber auch nach Jahrzehnten noch ordentlich erledigen.
Als dreitüriger Defender 90 Station Wagon (SW) bist Du nicht viel länger als ein Kleinstwagen, aber mit jeweils gut zwei Metern deutlich breiter und vor allem höher. Apropos Dreitürer. Du bist tatsächlich einer, denn wer hinten Platz nehmen möchte, steigt durch eine echte Hecktür ein. Im Fond herrscht mit den beiden wuchtigen Einzelsitzen und Teppichboden fast schon Luxus, während der Fußraum vorne mit zweckdienlichen Gummimatten ausgelegt ist. Bei aller äußeren Größe geht es vorne eng zu. Die Sitze sind sehr nah an die Tür gerückt, was im Gelände natürlich nur vorteilhaft ist. Und auch auf der Landstraße weiß man das keine vier Zentimeter entfernte Blech zu schätzen, denn Seitenhalt braucht es da nicht, den übernimmt – zumindest in Rechtskurven – ganz einfach die B-Säule.
Bis 60 km/h ist erst einmal Schaltarbeit angesagt, und zwar nicht weil der 2,2-Liter-Diesel so hoch dreht, sondern weil er so viel Drehmoment hat und getrost bis dahin alle sechs Gänge durchgeschaltet werden können. Die Schaltgasse ist präzise geführt, aber es geht nicht immer ganz ohne leichtes Kratzen vonstatten. Der ungesperrte Rückwärtsgang liegt zudem gefährlich nah am ersten Gang. Die Kupplung begleitet die Wechsel der Getriebestufen mit einem deutlichen „Klock“ beim Wiederausrücken. Die 360 Newtonmeter bei 2000 Umdrehungen in der Minute sorgen dafür, dass du zumindest dem Lkw-Verkehr auf der Autobahn gelassen entgegensiehst und mit viel Durchzug die kantige Stirn bietest. Fazit: Als Drittwagen wäre der Defender unsere erste Wahl. Kein Neuwagen bietet mehr Ursprünglichkeit des Autofahrens als der Land Rover. Es ist (k)ein Wunder, dass er so lange überlebt hat. Und das Mutterhaus wird ihn sicher im nächsten Jahr mit einer Final-Edition noch gebührend feiern und in den Ruhestand verabschieden. Schon heute hat kein Auto länger durchgehalten und sich so tapfer gegen den Fortschritt verteidigt. (ampnet/jri)
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