Mittwoch, 7. Oktober 2015 Range Rover SDV6 Diesel Hybrid: Wenn der Lord stromert
Range Rover SDV6 Diesel Hybrid. Foto:Auto-Medienportal.Net/Busse
Während die schweren Hydrid-Geländewagen von BMW, MercedesBenz und Porsche den Elektroantrieb mit einem Benzinmotor kombinieren, hat sich Land Rover für ein Dieselaggregat entschieden – lange bevor die Selbstzünder unter Generalverdacht gerieten. In der Praxis macht der britische Nobel-Koloss Range Rover SDV6 Diesel Hybrid eine gute Figur. Seine Lordschaft, der IV. Earl of Range Rover, ist fit wie nie. Abgespeckt hat er auch. Er ist bekannt für seine erstklassigen Manieren, steigt furchtlos in unwirtliches Gelände und verwöhnt seine Gäste mit gediegenem Komfort. Aber der englische Auto-Adlige hat, und das nicht erst seit gestern, ein Imageproblem. Trotz der abgeworfenen Pfunde gilt er als zu schwer, seine Öko-Bilanz als politisch unkorrekt. Klar, dass Range Rover da was machen musste. „Hybrid“ lautet die Problemlösung, deren Alltagstauglichkeit hier auf den Prüfstand gestellt wurde.
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Als erster SUV-Hersteller überhaupt hat Range Rover in der vierten Generation seines Flaggschiffs eine Elektro-Maschine mit einem Dieselmotor kombiniert. Diese Variante erscheint gewagt, da die englische Traditionsmarke sehr stark von Kunden in den USA und China lebt, dort Dieselmotoren aber schon vor dem VW-Skandal nicht besonders geschätzt wurden.
„Stark wie ein V8 und sparsam wie ein Vierzylinder“ möchte Land Rover seine Kunden glauben machen. Eine kühne These, denn immerhin wiegt die britische Wuchtbrumme mehr als 2,5 Tonnen, die wollen ordentlich angeschoben sein. Die 35 kW-E-Maschine (48 PS) unterstützt einen V6-Diesel, der drei Liter Hubraum hat und allein schon 215 kW / 292 PS bereitstellt. Ihn so lange wie möglich in Bereitschaft zu halten und auf seine Mithilfe zu verzichten, ist der Trick beim Hybrid fahren. Die Lithiumionen-Batterie des Range Rovers kann nicht an der Steckdose aufgeladen werden, sondern der Wagen gewinnt seinen Fahrstrom durch Schubbetrieb oder bei der Brems-Rekuperation, wenn kinetische in elektrische Energie umgewandelt wird. In der Summe kommt eine Systemleistung von 250 kW / 340 PS heraus, was der Leistung des V8-Diesels, den Range Rover ebenfalls anbietet, entspricht. Mit maximal 700 Newtonmetern Drehmoment liegt der verstromte Selbstzünder geringfügig unter dem Niveau des Achtzylinders (740 Nm). Wird der damit überflüssig? Die Normen des Neuen Europäischen Fahrzyklus’ bringen es mit sich, dass der aktuelle V6-Hybrid in die Effizienzklasse „A+“ fällt, während der V8-Diesel je nach Radstand des Fahrzeugs zu B oder C gehört. Da der Testwagen noch unter den Bedingungen der Euro-5-Norm zugelassen war, gilt für ihn ein kombinierter Verbrauchswert von 6,4 Litern/100 Kilometer. Leider beträgt die Kapazität dieser Batterie nicht einmal zwei Kilowattstunden (1,76 kWh), so dass die elektrische Reichweite nicht allzu groß ist. Der Hersteller gibt sie mit 1,6 Kilometern an. Das geflügelte Wort von der Tankanzeige-Nadel, die man bei Vollgas auf ihrem Weg zu „leer“ beobachten könne, findet hier seinen Weg in die Realität: Die Batterieladung ist binnen Kurzem erschöpft. Doch Trost nah: Die Nadel wandert fast ebenso schnell wieder in die Gegenrichtung, sei es bei Gefällstrecken, bei vorausschauendem Fahren im City-Verkehr oder sachtem Einbremsen, damit nicht zu viel von der kostbaren Energie in Wärme statt in Strom umgesetzt wird. Fahren im Range Rover schafft seine eigene Wirklichkeit. Das liegt an der majestätischen Sitzposition fast einen Meter über dem Asphalt, an dem respektvollen Abstand, den andere Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Fünf-Meter-Dampfer wahren und an der gediegenen Bequemlichkeit aus fein gemaserten Hölzern und handschuhweichem Leder. Der Hybridantrieb bringt eine weitere Ruhe und Gelassenheit ins Spiel, denn nach Drücken des Startknopfes gibt es nur ein leichtes Zucken an den Digital-Zeigern des TFT-Displays – sonst nichts.
Dass die Elektrifizierung keinen Verzicht auf Geländetauglichkeit mit sich bringt, ist für Range Rover Ehrensache. Für jeden Testfahrer ist es eine Genugtuung, für diesen Wagen eine echte Herausforderung zu finden. Im Stadtwald um die Ecke wird man sie wohl kaum finden, vielleicht auf einem von Panzern umgepflügten Truppenübungsplatz. Aber was hat eine Luxuskarosse dieses Kalibers da zu suchen? Bis nahezu 30 Zentimeter Bodenfreiheit vorn und etwas mehr an der Hinterachse pumpt die Luftfederung im Bedarfsfall die Karosse hoch, hüfttiefe Wasserfurten durchwatet er souverän. Aussichtslos, den Range Rover mit Feld-, Wald- und Wiesen-Hindernissen in Verlegenheit bringen zu wollen. Im Zusammenspiel von Straßenfahrten und naturbelassenem Terrain kam der Testwagen auf einen Verbrauch von 8,5 Litern je 100 Kilometer. Obwohl dies gut zwei Liter über dem Prospektwert liegt, ist dies ein vorzügliches Ergebnis. (ampnet/afb)
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