Vincenzo Lancia, 1881 im Piemont geboren, war ein leidenschaftlicher Techniker und ein kreativer Perfektionist. 1908 stellte er mit seinem Partner Claudio Fogolin in der gemeinsamen Werkstatt - der Lancia & C. Fabbrica Automobili im Turiner Vorort San Paolo – das erste Auto auf die Räder. Der Typ 12 HP, später Alpha genannt, hatte einen Reihenvierzylinder, der aus 2,5 Liter Hubraum 28 PS bei 1800 U/min produzierte. Für die damalige Zeit war das eine Schwindel erregend hohe Drehzahl - und ein erster Hinweis auf Lancias Vorliebe für sportliche Antriebe, die den Charakter der Marke prägen sollte. Der Theta von 1913 brachte es mit seinem 4,9-Liter schon auf 70 PS. Er wurde per Pedaldruck mit einem elektrischen Anlasser gestartet, eine Batterie versorgte die Zündung und die Lichtanlage. Bei seinem Nachfolger, dem Kappa (1919), verlegte Lancia den Brems- und den Schalthebel von aussen in den Innenraum; die Lenksäule liess sich in drei Positionen einstellen. 1922 folgte der Trikappa. Er bremste als erster Lancia nicht nur die vorderen, sondern auch die hinteren Räder; vor allem aber war sein Motor ein Geniestreich. Die beiden Zylinderbänke des 98 PS starken 4,6-Liter-V8 standen in nur 14 Grad Winkel zueinander und kamen deshalb mit nur einer oben liegenden Nockenwelle aus. Unmittelbar nach dem Trikappa entwarf Vincenzo Lancia jenes Modell, das dem Automobilbau völlig neue Impulse verleihen sollte - den Lambda. Statt des bis dato üblichen Kastenrahmens besass er als erstes Fahrzeug weltweit ein selbsttragendes Chassis aus Pressstahl; die Kardanwelle rotierte nicht mehr unter dem Boden, sondern in einem Tunnel. Diese Bauweise sorgte für niedriges Gewicht, hohe Verwindungs- und Crashsteifigkeit sowie für einen tiefen Schwerpunkt. Auch dank seiner unabhängig aufgehängten Vorderräder mit Teleskopstossdämpfern, einer weiteren Innovation, erwies sich der Lambda seiner Konkurrenz als haushoch überlegen. Als Antrieb diente ein schmalwinkliger, hochdrehender V4, dessen Nockenwelle über eine Königswelle angetrieben wurde. Er leistete anfangs mit nur 2,1 Liter Hubraum 49 PS, später als 2,6-Liter 69 PS. "Design enthüllt das innere Wesen einer Sache" hat Vincenzo Lancia gesagt. Getreu dieser Maxime liess er seine Fahrgestelle mit elegant geformtem Blech verkleiden, namhafte Karossiers wie Pinin Farina und Touring arbeiten für das Unternehmen. Mit den Luxusmodellen der 20er und 30er Jahre - dem Dilambda und dem Astura - etablierte sich Lancia als Marke für die Reichen, Schönen und Berühmten. Vincenzo Lancia erlebte die Erfolge seiner kompakten Modelle nicht mehr, er starb Anfang 1937 unerwartet an einem Herzanfall. Sein Sohn Gianni übernahm 1948 die Leitung des Unternehmens, und zwei Jahre später präsentierte er die Aurelia. Sie trug als erstes Serienauto weltweit einen V6-Motor unter der Haube - er leistete mit 1,8 Liter Hubraum 56 PS –, und das Getriebe sass in Transaxle-Bauweise an der Hinterachse. Aus der Urversion entwickelte sich rasch eine ganze Familie von Limousinen, Sportwagen und sogar Formel-1-Rennwagen, die über 300 PS leisteten. Als enthusiastischer Motorsportler gründete Gianni Lancia ein Werksteam. Als Kennzeichen trugen seine Autos einen kleinen blauen Elefanten - den legendären "elefantino blu". Am Markt konzentrierte sich Lancia wieder auf hochmoderne und elegante Konstruktionen. Die Flaminia von 1957 hatte in ihrer zweiten Serie Scheibenbremsen rundum an Bord. Die 1960 erschienene Flavia besas einen Vierzylinder-Boxermotor. Doch das teure Motorsport-Engagement brachte das Unternehmen in Schieflage; 1969 übernahm Fiat die Firma. Unter der Fiat-Regie schärfte Lancia sein sportliches Profil. Das Fulvia Coupe begründete in den späten 60er Jahren die grosse Rallye-Tradition, die kompromisslosen Stratos (1973) und 037 mit Kompressor-Aufladung (1982) holten die ersten WM-Titel nach Turin. Danach gewannen die Allrad-getriebenen Delta HF 4 WD und Integrale die Markenwertung sechs Mal.
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