Freitag, 30. April 2010 Lancia Stratos: eine Legende wird 40
Ultimatives Rallyegerät der Siebziger holte drei WM-Titel in Folge - 2,4-Liter-Sechszylinder-Mittelmotor aus dem Ferrari Dino 246 GT.
Der Lancia Stratos HF, so der vollständige Name des magischen Keils, war Purismus pur, ein hochspezialisierter Jäger und Sammler. Bevorzugte Reviere: für die zivile Autofahrt schwer zugängliche Terrains, bedeckt mit Schotter, Asphalt oder Schnee. Bevorzugtes Beuteschema: Renntrophäen, am liebsten in Serie. So geschehen bei der Rallye-Weltmeisterschaften: Drei WM-Titel in Folge holte der Stratos für Lancia: 1974, 1975 und 1976. Personenkult in Form einer Fahrerwertung gab es damals nicht. Im Mittelpunkt stand der Dienst an der Marke. Basta!
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Sein Debüt vor internationalem Publikum gab der Stratos vor vierzig Jahren, 1970, in Gestalt einer Designstudie auf dem Turiner Autosalon. Das Konzept: ein V-Vierzylinder-Mittelmotor, längs vor der Hinterachse angeordnet. Die Ehre des Antriebs wurde einem Serienmotor aus dem Lancia Fulvia zuteil. Nicht unbedingt ein Package, das man für ein Rallyeauto erwartete, denn entgegen den Gesetzmäßigkeiten einer fahrdynamikorientierten Gewichtsverteilung saß der Pilot sehr weit vorn.
Das radikal-futuristische Design der Studie war nicht etwa ein Modegag oder schiere Effektheischerei, sondern resultierte aus umfangreichen Tests im Windkanal zwecks Minimierung des Luftwiderstands.
Als 1971 der straßenzugelassene Lancia Stratos HF „Stradale“ vorgestellt wurde, hatte die Evolution von der Studie zur Fahrmaschine bereits nachhaltig gewirkt. In dem Rohbau aus Stahl und glasfaserverstärktem Kunststoff hatte der längs eingebaute Vierzylinder einem quer installierten, diesmal dem Ferrari Dino 246 GT entliehenen Sechszylindermotor Platz gemacht.
Ein extremes Auto war der Lancia Stratos HF aber geblieben. Extrem keilförmig und extrem kompakt: 3,67 Meter lang, 1,70 Meter breit und mit 1,08 Metern Höhe flach wie die berühmte Flunder. Die Fahrerposition war inzwischen etwas schwerpunktfreundlicher in Richtung Fahrzeugmitte gewandert, und für schnellste Reparatureingriffe im Getümmel zukünftiger Rallyeschlachten ließen sich Front- und Heckpartie komplett aufklappen.
Die maßgeblichen Köpfe hinter dem Projekt waren der damalige Lancia-Sportchef Cesare Fiorio, Werkspilot Sandro Munari und Mike Parkes, Chefentwickler und technisches Gewissen. Der britische Formel-1-Rennfahrer und Ingenieur stieß 1974 zu Lancia und trug entscheidend dazu bei, dass der Stratos konkurrenzfähig wurde. Daran hatte es bei den ersten Rallyeeinsätzen 1972 nämlich noch gemangelt. Notabene: Das Kürzel HF stand für High Fidelity (engl.: Treue). Lancia benutzte diese Buchstabenkombination mit Genehmigung der HF Squadra Corse, einem Club von Lancia-Rennfahrern, und verwendete sie auch später noch für besonders sportliche Modelle.
Die zur Homologation des Stratos für den internationalen Motorsport erforderliche Kleinserie entstand beim Automobil-Couturier Bertone – auch einer, dem man ohne Zögern mit dem Superlativ Legende belegen darf. Mindestens 400 Einheiten forderte das Gruppe 4-Reglement der internationalen Motorsportbehörde FIA, knapp 500 Lancia Stratos HF sollen es schließlich geworden sein. Präzisere und vor allem übereinstimmende Zahlen geben die verschiedenen Quellen nicht her.
Mit 2,4-Liter-V-Sechszylindermotor, Dreiventiltechnik und 190 PS erstürmte der Stratos die 100-km/h-Marke in 6,8 Sekunden und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 248 km/h. Werte, mit denen man auch in der Sportwagenwelt von heute noch mitbieten kann. Der erforderliche Budgetrahmen indes für dieses gehobene Vergnügen hat in der Zwischenzeit an Umfang deutlich zugelegt. Seinerzeit für rund 15.000 DM zu haben, ist der Lancia Stratos HF heute rare Sammlerware. Marktwert: ab 100.000 Euro aufwärts.
Der Stratos im Motorsport: die Lizenz zum Abräumen
Im April 1973 fuhr Sandro Munari auf der Firestone-Rallye in Spanien den ersten Erfolg für den Stratos ein. Einen Monat später folgte ein zweiter Platz bei der Targa Florio und im September ein weiterer Triumph bei der Tour de France. Der Keil hatte sich warmgelaufen. 1974 kamen weitere Siege in schneller Folge. Noch vor ihrer Homologation schlugen die Stratos in der Prototypenwertung bei der Sizilien-Tour und der Targa Florio zu, wenige Tage nach der FIA-Zulassung des Autos gewann Munari die Rallye San Remo. Es folgten weitere Siege und Triumphe beim Giro d'Italia, bei der „Rideau Lakes“ in Kanada und der Tour de Corse sowie ein dritter Platz bei der britischen RAC-Rallye. Der WM-Titel war damit für Lancia in trockenen Tüchern. Ein Triumph, dem zwei weiteren Weltmeisterschaften 1975 und 1976 folgten.
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