Verkehrte Welt bietet der kompakte Crossover des koreanischen Herstellers gleich in mehrfacher Hinsicht. So werden wir uns gern daran gewöhnen, dass der Energieverbrauch in der Stadt beim Elektroauto niedriger liegt als bei Benzinern oder Dieseln. Der Wechsel von vielen Beschleunigungsphasen und ebenso häufigen Bremsphasen mit Rekuperation der Bremsenergie, ein im Stand ruhender Motor, längere Strecken des Segelns und ein insgesamt niedrigeres Geschwindigkeitsniveau schonen den Batterieinhalt. Der reicht unter Normbedingungen für 615 km innerorts und 455 km außerhalb.
Unsere Erfahrung auf den Straßen rund um Nizza und in den Bergen dort bestätigen diese Werte. Im Fahrmodus „Normal“ lag der Wert bei 14,4 kWh, bei flotten Bergpassagen im Modus „Sport“ bei 16 kWh. Wir lagen bei unserem langen Ausflug damit sogar unter den vom Hersteller genannten Normwerten. Bei Dauer-Höchstgeschwindigkeit auf einer Autobahn wird das sicher anders aussehen. Aber so verkehrt ist die Welt auch beim Elektroauto nicht. Den ICE-Zuschlag zahlt auch der Elektroautofahrer. Als Ergebnis dieses Kapitels bleibt also die Erkenntnis: Die Reichweite reicht. So mancher Pendler wird nur noch einmal in der Woche an die Steckdose müssen.
Doch wo bleibt das Fahrvergnügen? Kia hat dem 1,8 Tonner 204 PS mitgegeben. Das reicht für eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in 7,8 Sekunden. Und das Drehmoment von 350 Newtonmetern (Nm), das sofort zu Verfügung steht, sorgt in der Innenstadt für ein Sprintverhalten, dass auch einem Supersportwagen Respekt abringt – bis 50 km/h.
Die Kia-Techniker haben es nicht bei den Spurtfähigkeiten bewenden lassen. Mit Paddels am Lenkrad lassen sich drei unterschiedlich starke Rekuperationsstufen einstellen, deren stärkste mit dem rund 0,25fachen der Erdbeschleunigung bremst. Das kombiniert mit einer ebenfalls über Paddel gesteuerten Automatik, die den Straßenverlauf kennt und den Verkehr mit Radar im Blick hat, wird das Fahrpedal seinem Namen erstmals komplett gerecht. So bretterten wir über die Serpentinen und überließen das Anbremsen dem „Gasfuß“.
Nur, wer den Fronttriebler noch schneller gehen lassen will, den wegen der Batterie tiefen Schwerpunkt und die beiden aufwändigen Achsen (vorn McPherson, hinten Mehrlenker) mit der echt direkten Lenkung bis an die Grenze fahren will, wird die hydraulische Bremse einsetzen und das ESP hoffentlich nicht herausfordern.
Womit wir bei den Assistenten wären. Davon hat der e-Niro reichlich zu bieten. Er hält automatisch die Spur und den Anstand zum Vordermann, auch im Stau. Er hat den Verkehr hinten ebenso im Blick. Er erkennt Hindernisse, auch Radfahrer und Fußgänger und kombiniert das mit einem Warn- und Bremssystem. Auch ein Spurwechsel-Assistent und ein Müdigkeitswarner sind an Bord. Ein Querverkehrswarner ist ebenfalls erhältlich.
Angesichts der Daten und der Preise rechnet Kia nicht damit, dass sich viele Kunden für das Einstiegsmodell mit 136 PS und einer 39,2 kWh-Batterie, einer Reichweite von unter 300 Kilometern und dem Einstiegspreis von 34 290 Euro entscheiden werden. 3000 e-Niro wollen sie 2019 in Deutschland verkaufen, mehr als 95 Prozent davon mit der großen Batterie. (ampnet/Sm)
Daten Kia e-Niro Spirit 64kwh
Länge x Breite x Höhe (m): 4,38 x 1,81 x 1,56 Radstand (m): 2,70 Motor: Permanentmagnet-Synchronmaschine Leistung: 204 PS von 3800 - 8000 U/min Max. Drehmoment: 395 Nm von 0 - 3600 U/min Batterie: Lithiumionen-Polymerbatterie, 356 V / 180 Ah Anzahl der Zellen: 294 (3 Blöcke à 98) Energiedichte: 141,3 Wh/kg Nennkapazität: 64 kWh On-Board-Charger: 230 V (AC). 1-phasig, 7,2 kW Stecker: Typ 2 & CCS Ladung an Haushaltssteckdose: fast 18 Stunden 7,2 kW-Ladestation: fast sechs Stunden 100 kW-Gleichstrom-Ladestation: 42 Minuten Höchstgeschwindigkeit: 167 km/h Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 7.8 Sek. Durchschnittsverbrauch: 15,9 kWh Reichweite, max.: 455 km Durchschnittsverbrauch Stadtverkehr: 11,8 kWh Reichweite Stadtverkehr: 615 km
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