Die verchromten Ventildeckel unter der ausladenden Haube haben natürlich nichts mit dem ursprünglichen Zustand zu tun, aber ein bisschen Show soll ja schließlich auch sein. 5,9 Liter Hubraum hat der dicke Achtzylinder und ungefähr 280 PS. So genau weiß Dan das nicht. Nicht einmal Datenblatt von damals, das sorgsam im Jeep-Archiv aufbewahrt wird, macht genaue Angaben. Dafür kann man die Achsübersetzung nachlesen. Um die ursprünglich 2034 Kilogramm Fahrzeuggewicht angemessen in Bewegung zu bringen, sind die Pferdestärken auch nicht so furchtbar wichtig. Die bedeutsamere Kenngröße heißt Drehmoment und da verhält sich der V8 genau so wie es seit Generationen von Auto-Enthusiasten beschworen wird: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen – außer durch Hubraum.
Dass der Grand Wagoneer zu seiner Zeit das obere Ende der Luxus-Skala repräsentierte, ist überall am Fahrzeug zu erkennen. Der langflorige Teppichboden, die schweren Polster, elektrische Fensterheber rundum, sogar an der Scheibe der Heckklappe, deren Scharniere unten angebracht sind. Selbst der Laderaum ist mit flauschiger Auslegeware verkleidet, er erinnert eher an eine kuschelige Spielecke für Kleinkinder als an ein Gepäckfach.
Zwischen den Vordersitzen ist ein bewegliches Polster angebracht, dass sowohl als Armauflage, aber auch als Rückenlehne eines Kindersitzes benutzt werden kann. Im rechten Winkel darunter befindet sich nämlich noch ein Kissen. Der Nachwuchs zwischen den Eltern, das war bei den Familienkutschen der ersten Jahre kein Problem, denn das Sicherheitsbedürfnis und -bewusstsein war längst nicht auf dem Niveau von heute.
Daniel ist ein freundlicher Mann und dass er die Freude an seinem ungewöhnlichen Auto gern mit anderen teilt, ist nicht zu übersehen. Deshalb überlässt er mir den Fahrerplatz. Der nur wenige Millimeter dünne Metallschlüssel gleitet in den Schlitz an der Lenksäule und der Anlasser setzt die schweren Kolben in Bewegung. Das mächtige Bollern durchströmt vom Motorraum herkommend das Cockpit und verflüchtigt sich wieder durch die segelförmigen Ausstellfenster der Türen. Eher filigran muten Lenkradkranz und Schalthebel an. Der Hebel sitzt direkt an der Lenksäule und welche Fahrstufe des dreigängigen Automatik-Getriebes man gewählt hat, ist an einem beweglichen Zeiger auf einer gebogenen Skala ebenfalls oben auf der Lenksäule zu sehen.
Das Bremspedal ist so breit, dass zwei Schuhsohlen nebeneinander darauf Platz haben, ich löse die Bremse und das Schiff dampft los. Dumpf bollert der V8, ob der Wagen den Bewegungen des dünnen Zweispeichen-Lenkrades folgen wird, ist noch nicht ganz raus. Die Lenkhilfe wirkt so nachhaltig, dass von einem Gefühl für die Straße oder gar Rückmeldung nicht zu reden ist. Doch, siehe da, ohne, dass es irgendeiner Anstrengung bedarf, dreht sich die schwere Karosse in die Kurve. Ein majestätisches Fahrgefühl stellt sich ein, die Welt draußen scheint einem anderen Rhythmus zu folgen. Hier drinnen herrscht stoische Gelassenheit. Natürlich schaltet die Dreigang-Automatik nicht so schnell und fein abgestuft wie die heutigen Getriebe, das Drehmoment von geschätzten 500 Newtonmetern gleicht das aber souverän aus. Eine genaue Angabe des Werts verschweigt das Datenblatt. Die große Wende auf dem Stoppelfeld ist für den Geländewagen natürlich keine Herausforderung. Mindestens 265 Millimeter Bodenfreiheit garantieren ein störungsfreies Manöver. Die Lenksäule konnte ich natürlich genau im gewünschten Winkel justieren, damals auch alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Überhaupt ist der 91er Grand Wagoneer auch aus heutiger Sicht ein absolut modernes Auto, denn er nahm viele der Annehmlichkeiten vorweg, die erst in den späten Neunzigern und 2000er Jahren zum Allgemeingut der Pkw-Ausstattung wurden. Nebelscheinwerfer mit 108 Grad Abstrahlwinkel leuchten die Fahrbahn auch bei schlechter Sicht zuverlässig aus.
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