Dewis Geschichte mit Jaguar – in allen Details fesselnd beschrieben in der 2006 erschienenen Autobiographie „Norman Dewis of Jaguar - Developing the Legend“ – ist bemerkenswert: Er entwickelte neben den mehrfachen Le Mans-Siegern C- und D-Type die klassischen XK140 und XK 150 Roadster, die Sportlimousinen 2.4/3.4 und Mk2, die großen Jaguar Mk VII und Mk VIIM, den legendären E-Type (inklusive des Lightweight E-Type), den Mittelmotor-Prototypen XK13, den ersten XJ, den XJ-S und die „XJ40“-Generation der XJ-Baureihe. Jedes dieser mit Dewis Expertise feingeschliffenen Modelle bleibt bis heute dank einer unnachahmlichen Kombination aus Komfort und dynamischem Handling eine Ikone der Automobilgeschichte.
Norman Dewis berichtete vom ersten Tag an direkt an den damaligen Jaguar Chefentwickler Williams Heynes. Für einen Testingenieur in der Automobilindustrie eine sicher einmalige Konstellation, die Heynes jedoch unmittelbares und aus erster Hand geliefertes Feedback aus dem Entwicklungsprozess lieferte. Norman schickte Kopien seiner Reports auch an Firmengründer Sir William Lyons. Sowohl Heynes wie Lyons maßen seinen Beobachtungen und Kommentaren großen Wert bei.
Der am 3. August 1920 in Coventry geborene Dewis verließ nach dem frühen Tod des Vaters die Schule und begann schon mit 14 Jahren an Autos zu arbeiten – bei Humber montierte er Kotflügel und Motorhauben. Mit 15 wechselte er zu einem anderen Autobauer, Armstrong Siddeley, wo er in der Fahrwerksabteilung tätig war und bei Abstimmungsfahrten erstmals das Autofahren erlernte. Im Krieg wurde Dewis zur RAF eingezogen, wo er den Geschützturm von Blenheim Bombern bediente. Nach dem Krieg und einer kurzen Episode bei Lea-Francis begann am 1. Januar 1952 seine 33 Jahre lange Karriere bei Jaguar.
Neben den vielen Modellen, die Dewis in dieser Zeitspanne entscheidend mitentwickelte, übte eines seiner ersten Projekte ohne Zweifel den größten Effekt auf die Entwicklung der Automobiltechnik aus: die Scheibenbremse. Dewis wurde eingebunden in die Erprobung dieses von Jaguar zusammen mit Dunlop erdachten revolutionären Bremssystems – unvergessen der Testeinsatz eines C-Type mit Scheibenbremsen bei der Mille Miglia von 1952 – mit Stirling Moss als Fahrer und Dewis als Co-Pilot.
1953 war es dann Dewis selbst, der in einem modifizierten Jaguar XK120 auf einem gesperrten Teilstück der belgischen Autobahn bei Jabekke mit 277,41 km/h einen neuen Geschwindigkeitsrekord für Seriensportwagen aufstellte. Beim dramatischen 24 Stunden-Rennen von Le Mans 1955 fuhr neben Renngrößen wie Hawthorn, Moss und Fangio einen über 300 km/h schnellen D-Type. Als Ersatzmann unverhofft eingesprungen, lag er auf Platz vier, bis sein Partner Don Beauman den Jaguar kurz nach Mitternacht in die Sandbank der Arnage-Kurve setzte.
Jaguar Werksfahrer Mike Hawthorn gehörte zu jenen, die Dewis Urteil nahezu blind vertrauten. Kam er zu einer Trainingsfahrt an die Strecke und sah, dass Dewis schon eingetroffen war, fragte er den Teammanager: „Warum bin ich hier? Wenn Norman zufrieden ist, bin ich es auch.“ Und so kam es, dass durch gegenseitigen Respekt und spontane Sympathie Dewis lebenslange Freundschaften zu Hawthorn, Moss oder später auch zu Jackie Stewart aufbaute.
Neben den Rennwagenentwicklungen wurde Norman Dewis auch durch seine legendäre Hauruck-Aktion im Rahmen der Weltpremiere des Jaguar E-Type 1961 auf dem Genfer Salon bekannt. Sir William Lyons orderte aufgrund des großen Ansturms auf das neue Modell einen weiteren E-Type von Coventry nach Genf. Norman Dewis machte sich auf den Weg und legte die 1100 Kilometer nach Genf in nur 15 Stunden zurück – bis aufs Tanken nonstop, eine in der Zeit ohne Autobahnen beeindruckende Leistung.
In einer Ära ohne Sicherheitsgurte und Crashsicherheit gab sich Dewis furchtlos. Alles in allem spulte er geschätzt über 1,6 Millionen Testkilometer mit Geschwindigkeiten von über 160 km/h zurück.
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