Freitag, 19. April 2013 Jaguar F-Type: Ritt auf der Kanonenkugel
Foto:Auto-Medienportal.Net/Jaguar
Das Warten hat ein Ende. Nach mehr als 50 Jahren hat Jaguar den Mut gefasst, für den legendären und immer noch begehrten E-Type einen Nachfolger zu präsentieren. Wenn die Damen und Herren aus Großbritannien über Sportwagen sprechen, meinen sie eben nicht die eigenen Sportcoupés wie den großen Jaguar XK. In ihren Augen kann nur ein Roadster wie jetzt der Jaguar F-Type die große Sportwagentradition wieder aufnehmen. Ab 25. Mai steht der F-Type bei den Händlern. Von dem Tag an will sich Jaguar wieder mit den großen Sportwagen-Marken der Branche messen, namentlich mit Porsche. So haben die Briten den Preis zwischen dem des Porsche Cayman oder Boxter und dem des 911 angesiedelt. Um in diesem Wettbewerb mithalten zu können, reichen aber weder der Preis, noch der Mythos des E-Type. Da muss das Erlebnis stimmen.
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Wir hatten unser Erlebnis im spanischen Navarra. Den ersten Ausritt unternahmen wir mit dem Einsteiger-Roadster. Dessen Dreiliter-V6 mit Kompressor wirbelt den 4,47 Meter langen F-Type mit 340 PS um Kurven und Spitzkehren. Die Acht-Gang-Automatik auf Sport und den Schieber für den Fahrmodus auf „Dynamik“ gebracht – und die Post geht ab. Und am Ende waren wir uns einig: Niemand braucht mehr als den. Insbesondere dann, wenn auch der Soungenerator zum Einsatz kommt und jedes Gasherausnehmen und Runterschalten der Umwelt krachend mitteilt, dass hier ein Sportwagen naht.
Warum also den F-Type S mit nur 40 PS mehr und einem leicht auf 460 Nm gesteigertem Drehmoment nehmen? Von den Zahlen her ist der Unterschied nicht besonders aufregend. Beim Standardsprint braucht er 4,9 statt in 5,6 Sekunden und wird erst bei 275 km/h statt bei 260 km/h abgeregelt. 19-Zoll- statt 18-Zoll-Räder sind auch nicht gerade bedeutend. Doch auf der Strecke erweist sich die S-Variante mit Hinterachsdifferenzial und programmierbarem Fahrwerk als deutlich sportlicher. Auf der Rennstrecke zeigt er seinen anderen Charakter. Mit dem S wird der schnelle, sportive Roadster zu einem Sportwagen, dem es an nichts fehlt, was Sportfahrern am Herzen liegt. Und wieder kamen wir zu der Einschätzung, mehr brauche man nun wirklich nicht.
Und wieder lagen wir falsch. Es geht noch mehr und besser. Mit dem Fünf-Liter-V8 mit 495 PS und einem Drehmoment von 625 Nm erlebten wir schließlich noch einen Klassenunterschied. Der beeindruckt mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h, ist aber eigentlich viel zu schade für die Autobahn. Der gehört in die Kurve, am liebsten in ganz enge Kurven, bei denen er – handgeschaltet per Paddel oder Schalknauf oder nur im Automatikmodus – auf sein 20-Zoll-Rädern zeigen kann, wie man kleine Radien zu einem großen Erlebnis werden lassen kann.
Der Heckantrieb, die ausgewogene Gewichtsverteilung, die direkte sehr präzise Lenkung aber auch das durch den Einsatz von viel Aluminium niedrige Gewicht tragen dazu bei. Aber bei allen drei Varianten gilt: Es ist nicht nur die Technik. Dieses Auto hat ein ambitioniertes, aber freundliches Wesen, das einem zum Spielen auffordert, einem Respekt einflößt, aber keinen Angstschweiß auf die Stirn treibt. Der Ausritt mit dem V8 war ein Ritt auf der Kanonenkugel.
Der Beifahrer mag sich ja mit ihm freuen. Aber ihm wird vom Innenraumdesign nahegelegt, warum Jaguar den F-Type als 1+1-Auto bezeichnet. Alles dreht sich um den Fahrer, alles ist auf ihn ausgerichtet. So wird der dreieckige Bügel an der rechten Seite des Mitteltunnels vielleicht als Haltegriff genutzt. Aber eigentlich dient er als Zaun. Soll sich der Beifahrer doch fragen, ob und wann er auch mal ans Steuer darf.
So viel Begeisterung beginnt beim F-Type mit dem Aussehen. Das Team um Chefdesigner Ian Cullum hat das Beste aus der großen Vergangenheit der Marke kombiniert mit viel Zeitgeist, aber ohne Revolutionäres. Er sieht aus, wie man sich einen Sportwagen erträumt. Das beginnt mit dem für Jaguar typischen Kühlergrill. Weil der sich nach vorn neigt, fühlt man sich an die Lufteinlässe alter Silberpfeile erinnert.
Alle Motoren übertragen ihre Kraft über eine schnell schaltende Achtgang-Automatik von ZF. Sie ist eng abgestuft, so dass der Motor immer in einem optimalen Drehzahlbereich arbeitet. Der achte Gang ist lang ausgelegt, was ebenfalls der Effizienz zugute kommt.
Selten haben wir in einem Auto so viel Spaß verspürt. Selten haben wir die Pferdchen so ungehemmt galoppieren lassen, ohne jemals die Grenzen von Powertrain und Fahrwerk zu spüren zu bekommen. Mit Dem F-Type ist Jaguar ein großer Wurf gelungen. Die Raubkatze wird hoffentlich nicht wieder ein halbes Jahrhundert bis zum nächsten großen Sprung bei den Sportwagen warten. (ampnet/Sm)
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