Den Weg zu Jaguar hatte der Dewis von Lea-Francis gefunden, wo er bereits Limousinen und Sportwagen testete.
Dewis startet am 1. Januar 1952 und führt als erste Amtshandlung standardisierte Prüfverfahren ein, sowohl für die Straßen – als auch die Rennwagen. Von Anfang an ist er auch intensiv in die Entwicklung der revolutionären Scheibenbremse involviert. 1952 bestreitet er mit Moss und dem C-Type die Mille Miglia. Die neue Bremse hält, doch 160 Kilometer vor dem Ziel prallt das Auto im Regen gegen einen Felsen. 1953 ist Norman Dewis auch an den Jaguar-Rekordfahrten auf der belgischen Autobahn bei Jabbeke beteiligt und erreicht dort 277 km/h auf einem XK120 mit aerodynamisch verkleideten Scheinwerfern, partiell abgedecktem Kühlergrill und einer über das Cockpit gestülpten Plexiglaskuppel.
Das Testareal der Motor Industry Research Association (MIRA) bei Lindley wird nach dessen Eröffnung im Jahr 1953 so etwas wie die zweite Heimat für Norman Dewis. Es ist in MIRA, wo unter anderem der in diesem Jahr 60 Jahre alt werdende D-Type mit Dewis als Geburtshelfer seine ersten Gehversuche unternimmt. Es folgen bis 1985 unzählige weitere Modelle: Mk VII bis Mk IX, Jaguar 2.4 und 3.4, XK 120/140/150, XK-SS, Mk2, S-TYPE und 420, Mk X, E-TYPE, XJ13, XJ-S und die ersten drei Generationen des Jaguar XJ. 1955 kommt Dewis, der bei Tests oft schnellere Zeiten fährt als die Jaguar-Vertragspiloten, unverhofft zu seinem ersten und einzigen Einsatz im Werksteam. Als Ersatzmann teilt er sich in Le Mans einen der neuen „Long nose“-D-Type mit Don Beauman.
Anderer Ort, andere Großtat: 1956 stellt Norman bei einem Tourenwagen-Rennen in Spa sein mechanisches Talent eindrucksvoll unter Beweis. Über Nacht baut er in einer primitiven Garage das defekte Getriebe des Jaguar 2.4 von Paul Frère neu auf.
Norman Dewis war halt immer der Jaguar Mann für alle Fälle: Als elf Tage später am Freitag vor dem 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring ein Jaguar D-Type in die Botanik fliegt, muss schnellstens bis Sonnabend um 11 Uhr ein Ersatzauto her. Dewis übernimmt den Job, fährt den „D“ auf eigener Achse zur Nachtfähre Dover-Ostende. Und ist 20 Minuten vor Beginn des Zeittrainings in der Eifel. Einen ähnlichen Husarenstreich schafft er 1961: Der neue E-Type ist der Star auf dem Jaguar-Stand des Genfer Salons. Ein zweites Modell steht für Demo-Fahrten auf einer abgesperrten Bergrennstrecke bereit. Doch so groß ist die Nachfrage der Journalisten nach einer Mitfahrgelegenheit, dass Jaguar-Chef Sir William Lyons noch ein drittes Exemplar anfordert. Wieder ist es Dewis, der in einer Hauruck-Aktion von Coventry mit einem E-Type Roadster durch Frankreich bis in die Schweiz düst.
Nach seinen Lieblings-Jaguar befragt, antwortet Norman Dewis heute: „Der XK150 S, der Long-nose D-Type und ‚mein‘ XJ13. Ich weiß, dass sie mich rausgeworfen hat, aber sie ist noch immer so ein liebes Ding!“ Der XJ 13 war der erste Jaguar mit Mittelmotor, entstand 1966 und sollte mit einem 5,0-Liter-V12 bestückt ursprünglich Jaguars Ruhm in Le Mans fortsetzen. Doch dazu kommt es nie. 1971, im Rahmen der Präsentation des E-Type V12, wird das mythenumwobene Einzelstück für einen Promotion-Film noch einmal hervorgeholt. Dewis sitzt am Steuer, als bei Tempo 220 in der Steilstrecke von MIRA die hintere rechte Felge bricht. Der Jaguar dreht sich ins aufgeweichte Infield, überschlägt sich mehrmals und kommt als Wrack auf den Rädern zum Stehen. Wie durch ein Wunder zieht sich Norman nur schwere Prellungen zu. Es ist der zweite Unfall, den er fast unverletzt übersteht: 1954 hatte er sich ebenfalls in MIRA mit einem C-Type abgerollt, als dessen Differential blockierte. Damals blieb der Wagen kopfüber liegen. Nach seinem Ausscheiden bei Jaguar 1985 und dem Tod seiner Frau Nan – die er sieben Jahre lang pflegt – beginnt Norman ab 1993 ein neues Leben. (ampnet/Sm/ja)
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