Schon die Karosserieform lässt keinen Zweifel an den Ambitionen der ersten kompakten Jaguar-Limousine der neuen Zeitrechnung. Chefdesigner Ian Callum und sein Team haben eine Menge vom XF und vom Supersportler F-Type mit hineingemischt. Die Freunde der Kombination von sportlicher und luxuriöser Optik kommen beim XE auf ihre Kosten, wenn sie sich erst einmal in das Etui zwischen Außerwand und breitem Mitteltunnel eingefädelt habe. Im XE verwachsen Fahrer und sein Co mit dem Auto. Dabei kommt das Gefühl von Enge gar nicht erst auf, weil alles so anliegt wie eine Rennkombi anliegen sollte. Die Sitze sind bequem und geben gleichzeitig guten Seitenhalt. Das kleine dicke Multifunktionslenkrad gehört in diesen Innenraum wie – inzwischen in jeden Jaguar – das Drehrad für die Gangwahl der Automatik auf der Mittelkonsole. Auf der Rücksitzbank hätte Herr Tur Tur bessere Karten als der norddeutsche Sitzriese, der diesen Text verfasst. Tur Tur würde genug Kopf- und Kniefreiheit vorfinden, der Nicht-Schein-Riese sieht sich hinten auch mit der kleinen Türöffnung vor Problemen, den XE als einen bequemen Reisewagen für die große Strecke zu beschreiben. Hier stehen mal wieder die Menschen in der ersten Reihe im Vordergrund. Hauptsache, die haben Spaß. Dafür ist der XE bei den Assistenzsystemen vorn dabei. Bei Jaguar hat man jetzt zum üblichen Kanon noch zwei Strophen hinzugefügt: ein aufpreispflichtiges Laser-Head-up-Display und die „All Surface Progress Control“ für alle Automatikfahrzeuge. Das System baut zum Beispiel auf einer schneeglatten Fahrbahn bis zu Tempo 30 ohne Zutun des Fahrers die passende Traktion auf. Doch mit dem Allradantrieb hatte das System selbst bei widrigsten winterlichen Wetterbedingungen in unseres Fall wenig zu tun. Bemerkenswert sind ebenfalls die Stereokamera für die 3-D-Darstellung des Bereichs vor dem Auto und die aktive Motorhaube zum Fußgängerschutz. Bei Infotainment, Konnektivität und Serviceangeboten übers Netz setzt der XE Zeichen, natürlich für iOS-Freunde ebenso wie für die von Android. Wir fuhren den Zwei-Liter-Diesel mit 132 kW / 180 PS und einem maximalen Drehmoment von 450 Newtonmetern. Zusammen mit der schnell und kaum spürbar schaltenden Acht-Gang-Automatik ist das ein Antrieb, der mit einem Durchschnittsverbrauch von 4,7 Litern (nach NEFZ) auf 100 km nicht nur die Kasse schont, sondern auch ein Jaguar-typisches Vorankommen erlaubt. 7,9 Sekunden für den Standardsprint von 0 auf 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h sind zwar nicht Werte eines aktuellen Sportwagens, aber dafür knurrt der XE gut und beim Beschleunigen auch vernehmlich, aber eher wie ein Jaguar als ein Diesel.
Einen Jaguar lässt man nicht nur rollen. Er will gefordert sei. Dann zeigt der Bordcomputer für den Verbrauch einen Wert zwischen sieben und acht Litern an. Es liegt nicht nur am Antriebsstrang, wenn sich der XE im Zusammenspiel mit Motor, Automatik und feinfühliger elektromechanischer Servolenkung so angemessen sparsam bewegen lässt. Der großzügige Einsatz von Aluminium aus dem Recycling hat dem XE hat auch als Diesel mit 1615 Kilogramm inklusive Fahrer ein vergleichsweise niedriges Kampfgewicht beschert. Sein Fahrwerk, das Verwandtschaft mit dem des F-Type zeigt und auch hinten mit Doppelquerlenkern gut gegenhält, unterstützt dieses Gefühl von der Leichtigkeit des Seins.
Beim Fahrgefühl und bei der Arbeit des Fahrwerks in Kurven kann er es mit so manchem Platzhirsch auf dem deutschen Markt aufnehmen. Den Spagat zwischen maximaler Querbeschleunigung ohne großes Wanken und komfortablen Rollen schaffen andere auch nicht besser. Wo es ihm fehlt? Raumwunder sind die Wettbewerber meist auch nicht. Es wird genug Freunde des Autos geben, denen die schnelle, flache Dachlinie wichtiger ist als Kopffreiheit für die Hinterbänkler. Wer einen Jaguar XE kauft, will sowieso nicht hinten sitzen. Auch Herr Tur Tur würde gern den Platz am Lenkrad wählen, denn hier geht es um wahre Größe. (ampnet/Sm)
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