Geheimhaltung braucht Abgeschiedenheit. So stieg das Team wie einst die Urchristen in Rom in die Tiefe, in die Katakomben des Ford-Designzentrums in Dearborn. Wir wollen der historischen Parallele nicht auch noch eine religiöse Parallele hinzufügen, denn es ist sicher Zufall, dass es ausgerechnet zwölf Menschen es auf sich genommen haben, ein Zeichen für eine bessere Zukunft des ur-amerikanischen Autobauers zu setzen. Die Katakomben, die Projektleiter Chris Svensson nun – deutlich übertrieben – als „Studio“ bezeichnet, lagen am Ende eines langen Ganges, in den sich nur Leute auf der Suche nach alten Formen verirren. Eine Stahltür, zwölf Mann, zwölf Schlüssel und ein Schwur waren die Gewähr für erfolgreiche Geheimhaltung und gleichzeitig die Voraussetzung für eine intensive Zusammenarbeit der unterschiedlichen Disziplinen. Technik und Design mussten sich in der Kellerklausur einigen. Einen anderen Weg gab es nicht; die Gruppe war zum Erfolg verpflichtet. Wenn Chris Svensson heute Besucher in den Keller führt, verstummen die Gespräche. Stille kehrt ein, ganz so, als beträte man eine Kapelle. Schließlich dürfen sich nur ausgewählte Gäste mit Andacht den Reliquien, den Zeichnungen, den ersten kleinen Modellen, den Sitzkisten und den drei großen Modellen der rasanten Flunder im Maßstab 1:1., zwei Clay-Modelle und eines Aluminium, nähern.
Bei der Führung durch das Allerheiligste wird schnell klar, welche Interessen hier unten auf einander geprallt sind: Leicht muss der neue GT sein, einen starken, aber effizienten Antrieb für die Langstrecken muss er bekommen, ordentlich Anpressdruck muss die Aerodynamik für die Kurvenlage liefern, aber auch eine vorbildlich Aerodynamik für niedrigen Verbrauch und hohe Endgeschwindigkeiten. Fahrer und Beifahrer sollen auch noch hineinpassen. Dann soll der GT auch wenigsten so schnell aussehen wie er fährt, am besten schneller. Und die Verbindung zum GT aus dem Jahr 1965 muss erkennbar werden. Da gibt es viel zu besprechen, was vermutlich nicht immer ohne Emotionen abging, wenn Forderungen unerfüllt bleiben mussten, andernfalls mit Dankgebeten. Herausgekommen ist ein Auto für die Rennstrecke, bei dem die aerodynamisch optimale Tropfenform so konsequent wie bei keinem anderen Fahrzeug ausgeführt worden ist. Das sieht man allerding nur von oben. Von der Seite ist der GT der superflache Renner mit Lufteinlässen für den Mittelmotor im Heck und einem extrem kleinen Abteil für Fahrer und Beifahrer. Allzu viel über die Eigenschaften sprechen die Herren von Ford auch in der Abgeschiedenheit ihrer Katakombe nicht. Bekannt sind: 3,5-Liter-Sechszylinder mit Doppelturbolader und einer Leistung von 441 kW / 600 PS, Kohlefaser-Monocoque, Karbonkarosserie, Alu-Fahrwerk und ein Leistungsgewicht, das Seinesgleichen suchen soll. Als Beschleunigung wurden dem GT schon bei seiner Premiere 2015 eine Zeit von weniger als drei Sekunden von 0 auf 100 km/h prophezeit. Beispiele für den kompromisslosen Leichtbau: Als erster Autohersteller setzt Ford beim GT für die Frontscheibe und die Abdeckung des Mittelmotors sogenanntes Gorilla-Glas ein, das sehr dünn, leicht und dennoch sehr widerstandsfähig ist. Und die Armaturentafel ist ein tragendes Teil der Struktur. Im Herbst dieses Jahres soll der Ford GT seinen ersten Renneinsatz hinter sich bringen. Und für Le Mans 2017 laufen die ersten Vorbereitungen. So sind kürzlich die Namen der vier Fahrer bekanntgegeben worden, mit denen das Ganassi Racing Team antreten wird: Marino Frachitti, Stefan Mücke, Olivier Pla und Andy Priaulx. Wie sagte einer der Zwölf in der GT-Kapelle? „Wir sind sicher, dass die Leistung reicht. In Le Mans geht es nur um die Zuverlässigkeit“. Amen. (ampnet/Sm)
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