Samstag, 25. Juni 2011 Fiat Freemont: Transatlantische Freundschaft
Foto:Auto-Medienportal.Net/Fiat
Zweifel und sogar Spott kam auf, als Fiat-Boss Sergio Marchionne verkündete, der italienische Autokonzern wolle den drittgrößten US-Hersteller Chrysler übernehmen. Übernommen habe sich der Italiener damit, war zu hören. Doch in diesen Tagen geschieht zweierlei: Die Turiner bereiten die Übernahme der Mehrheit an Chrysler vor, und das erste gemeinsame Produkt kommt zu uns nach Europa: der Fiat Freemont auf der Basis des Dodge Journey. Kann man einen typischen amerikanischen Van europäisieren? Dieser Frage konnten wir jetzt in Italien nachgehen. Wir konzentrierten uns dabei auf die besser ausgestattete Version Urban mit dem 125 kW / 170 PS-Vierzylinder-Diesel, dem stärkeren der beiden Diesel. Der Einstiegsmotor leistet aus ebenfalls zwei Litern Hubraum und bei einem identischen Drehmoment von 350 Newtonmetern 103 kW / 140 PS. Beides sind Common-Rail-Motoren mit Turboaufadung mit der kraftstoffsparenden und leistungssteigernden Multiair-Technologie der zweiten Generation.
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Das gilt auch für das Getriebe, denn die typische amerikanische Automatik wird erst im November zur Verfügung stehen. Bis dahin verrichtet eine Sechs-Gang-Handschaltung diese Arbeit angenehm leichtgängig. Die Automatik wird dann aus dem Dodge-Regal stammen, und der ebenfalls für November angekündigte Allradantrieb kommt wohl vom hauseigenen Allradexperten Jeep.
An der Form des Dodge Journey haben die Italiener für Europa wenig geändert. Die Gesichtszüge und einige Details sind feiner geschnitten als beim Amerikaner, der zum Image der Marke mit dem kernigen Spruch passt: Pack das Leben bei den Hörnern. In Italien wie im übrigen Europa hat die Mehrzahl der Leute es eben lieber ein bisschen kultivierter.
Beim Freemont mit seiner auch nach der Feinarbeit am Design doch eher unauffälligen, angenehmen Art zeigt sich das Kultivierte mehr im Innenraum. Den hätten die hartplastikgewohnten Amerikaner gern vom Freemont. Die Armaturentafel mit zwei klassisch gestalteten Rundinstrumenten im kleinem Mitteldisplay wird ergänzt durch einen großen Touchscreen im Mittelteil der Tafel, vom den aus man nicht nur das Infotainment, sondern auch viele Funktionen des Fahrzeugs steuern kann. Der neue Charakter des Freemont wird unterstrichen und die Breite des Fahrzeugs betont von einem chromglänzenden Zierteil, das die beiden äußeren Luftausströmer der Drei-Zonen-Klimaautomatik umrahmt. Das dreispeichige Lederlenkrad mit Funktionstasten und der kurze Knüppel der Schaltung auf dem Mitteltunnel und die sehr stark konturierten Sitze für Fahrer und Beifahrer verbreiten Limousinen-Flair im Innenraum.
Der Stil und die griffsympathischen Materialien der Armaturentafel finden sind auch in den Seitenverkleidungen. Die Verarbeitung unserer Vorserienexemplare zeigte keine Mängel. Da auch elektronisch (Radio mit MP3-fähigem CD-Player, Bluetooth, USB, AUX-Eingang) alles an Bord ist, liegt der Freemont hier klar auf europäischem Niveau.
Von der ersten Sitzreihe aus hat man den für diese Wagenklasse typischen guten Ausblick von oben, aber auch eine gute Rundumsicht. Die zweite Reihe ist höher montiert, die dritte Sitzreihe noch einmal höher, so dass alle recht gut nach vorn aus dem Auto blicken können. Die dritte Reihe reicht auch für Größere. Die können ihren Platz vergleichsweise gut erreichen durch ein Easy-Entry-System an Reihe zwei und sehr weit öffnende Türen. Die Sitze lassen sich klappen und falten, wie man es für die jeweilige Ladung braucht. 32 Konfigurationen rechneten uns jetzt die Fiat-Techniker vor. Geschickt fanden wir die Möglichkeit, aus den Sitzen Polster herausklappen zu können, auf die man Kinder setzen und sicher anschnallen kann.
Bleibt die Frage nach den Fahreigenschaften oder: Wie gewöhnt man einem amerikanischen Schiff das Schaukeln ab? Also, zunächst sei festgestellt, mit seiner Länge von 4,89 Metern hat der Freemont für einen Amerikaner mit drei Sitzreihen noch erstaunlich kompakte Außenmaße. Das sind nur weniger Zentimeter mehr als zum Beispiel ein VW Sharan; auch der Wendekreis ist fast identisch.
Fiat hat Fahrwerk und Lenkung überarbeitet, und das merkt man. Im Freemont spürt man die Straße und schaukelt nicht amerikanisch über Bodenwellen und durch Schlaglöcher. Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unkomfortabel, das Wanken im Vergleich unauffällig. Die neue Lenkung arbeitet präzise. Das passt zu einem europäischen Familienauto, zumal Fiat sich mit Erfolg um eine bessere Geräuschdämmung bemüht hat.
Auch beim Verbrauch kann man dem Freemont europäisches Niveau bescheinigen. Im Schnitt (nach EU-Norm) liegt der bei 6,4 Litern auf 100 km. Bei unseren mehr als 300 Kilometern durch Italien kamen wir auf Werte um die acht Liter. Auch das passt.
Was die Amerikaner für die nächste Generation des Freemont/Journey von den Europäern noch lernen können? Absprecken, auf 1,88 Metern Außenbreite mehr Innenbreite unterbringen und ein mutigeres Design. All das kann Fiat beisteuern. (ampnet/Sm)
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