Zwar wurde der Sportwagenhersteller offiziell aus dem Fiat-Chrysler-Konzern ausgegliedert, doch ist Marchionne heute noch stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Investmentgruppe Exor, die wiederum der Agnelli-Familie gehört. Und die Agnellis hatten über viele Jahre bei Fiat das Sagen, in einer Zeit, als die heißblütigen GTs und Spitzensportler aus der Emilia Romagna plötzlich aus Kostengründen mit Serienbauteilen aus Fiat-Modellen bestückt wurden.
Die Ferraristi, die Fans und Freunde des Herstellers, haben selbst diese Beleidigung weggesteckt und den Glauben an ihre Marke nicht verloren. Heute werden sie einmal mehr dafür belohnt. Zu Enzos Geburtstag betritt ein neuer Ferrari die Bühne, der im vergangenen Jahr auf dem Genfer Autosalon erstmals gezeigte Portofino, der die Nachfolge des Cabrios California T antritt. Er folgt den Wesenszügen seines Vorgängers, hat ein voll versenkbares Dach aus Aluminiumblech und Glas, einen V8-Motor mit fast vier Litern Hubraum, die Maschine vorn und den Antrieb hinten. Die Dimensionen der beiden offenen Supersportler unterscheiden sich kaum, der Portofino ist 4,59 Meter lang, das sind rund zwei Zentimeter mehr, in der Breite ist er um fast vier Zentimeter gewachsen. Trotzdem hat er abgespeckt. Um satte 80 Kilogramm unterbietet er seinen Vorgänger, wiegt nur 1664 Kilogramm und das trotz deutlich höherer Leistung.
Der V8 mit 3,9 Liter Hubraum liefert 441 kW / 600 PS, 40 PS mehr als bisher. Der Leistungsgewinn rührt von neuen Kolben und Pleuel her, sowie einem neu abgestimmten Motormanagement. Die optimierte Luftführung für eine bessere Beatmung stärkt den Achtzylinder zusätzlich, gerade Ansaugwege und ein Ladeluftkühler mit kräftigerer Wirkung leitet dem Turbolader kältere und damit dichtere Luft zu. Seine Spitzenleistung liefert der V8 bei stolzen 7500 Umdrehungen in der Minute, sein Drehmomentmaximum von 760 Newtonmetern stellt er von 3000 bis 5250 U/min bereit. Die Kraftübertragung zur Kardanwelle erledigt ein automatisches Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen, über Schaltwippen hinter dem Lenkrad lassen sie sich manuell wechseln.
Am kleinen mit Leder und Karbon ummantelten Lenkrad, geht es eng zu wie im Käferzelt beim Oktoberfest. Nicht nur der rote Startknopf und die Justierung des elektronisch gesteuerten Fahrwerks müssen darauf unterkommen, auch die verschiedenen Fahrmodi lassen sich von hier aus einstellen. „Comfort“ und „Sport“ sind wählbar, außerdem kann das ESP im „Performance“-Modus abgeschaltet werden, eine Übung aber, die nur überaus talentierte oder mutige Chauffeure bestehen wollen. Denn der Portofino sieht zwar elegant und entspannt aus, soll für die Belange des Alltags keinerlei Einschränkungen mitbringen, doch liegen seine Fahrleistungen jenseits dessen, was manch ein Wagenlenker zu beherrschen vermag. 3,5 Sekunden vergehen beim Sprint von 0 auf 100 km/h, 320 km/h schafft der Portofino als Spitzentempo. Eine Geschwindigkeit, bei der selbst dreispurige, leere Autobahnen ohne Tempolimit und jedwede Kurve erbärmlich schmal werden.
Der Portofino selbst gibt sich dabei keine Blöße, offenbart eher die Defizite des Menschen am Volant, er geht kompromisslos und doch duldsam zur Sache. Hohe Kurvengeschwindigkeiten schaffen auch Unerfahrene mit ihm, es gilt nur, das Lenkrad festzuhalten und die Biegungen mit harmonischem Schwung zu nehmen. Leichtfüßig geht der Ferrari um die Ecken, die Präzision der Lenkung beeindruckt. Kleine Korrekturen genügen, um den Kurs trotz unebener Fahrbahn zu halten, Rückmeldung vom Traktionszustand sind dabei unentwegt spürbar.
Der Portofino zeigt den Ferrari-Weg in die Zukunft. In der obersten Liga spielt das neue Sportcabrio in Sachen Hochwertigkeit und Anmutung etwa bei der Instrumentierung und der Bedienung nicht. Die Zeiten der Knöpfe und Schalter aus der Fiat-Produktion sind jedoch eindeutig vorüber. Was bei einem Preis von 189 704 Euro allerdings auch zu erwarten ist. (ampnet/mk)
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