Freitag, 1. August 2014 Cadillac Escalade: Neuer König, neue Gesetze
Cadillac Escalade. Foto:Auto-Medienportal.Net/General Motors
Schon lange bevor die Bezeichnung „Sport Utility Vehicle“ aufkam, galten die großen Geländewagen von General Motors als ultimativer Ausdruck von Luxus. Diese Anerkennung manifestierte sich in dem Ehrentitel „Texas Cadillac“, den der Chevrolet Suburban im Volksmund trug. Noch heute zählt der schwere Geländewagen – gemeinsam mit seinem kurzen Schwestermodell Tahoe – zu den beeindruckenden Erscheinungen auf den amerikanischen Highways. Als „Texas Cadillac“ bezeichnet den großen Chevrolet allerdings keiner mehr. Denn seit mittlerweile 15 Jahren gibt es einen echten Cadillac, der auf der gleichen Plattform wie Tahoe und Suburban aufbaut, seine Schwestermodelle jedoch geradezu profan wirken lässt. Das gilt auch für die nunmehr vierte Generation des Escalade auf der GMT-K2-Architektur, die wenige Wochen nach den Chevrolet-Modellen vorgestellt wurde - und zum Modelljahr 2015 offiziell nach Europa kommen wird.
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Der Auftritt des Escalade ist nochmals eindrucksvoller geworden. Sein gewaltiger Chromgrill, die gleißenden Scheinwerfer mit vertikal angeordneten LED-Modulen und die nunmehr bis zum Dach reichenden Rückleuchten sorgen für Familienähnlichkeit mit dem übrigen Cadillac-Programm - und für Distanz zu den Schwestermodellen. Der von uns gefahrene „kurze“ Escalade ist mit einer Länge von 5,14 Metern und einer Breite von 2,05 Metern für europäische Verhältnisse am oberen Rand der Verträglichkeit angesiedelt; die Höhe von 1,89 Metern ist in vielen Parkhäusern bereits problematisch. Die Langversion Escalade ESV kommt auf stolze 5,70 Meter Länge und bleibt damit ein Auto für Amerika. Doch selbst die Kurzversion bietet für sieben oder acht Personen überragendes Platzangebot. Die hinteren Sitzreihen können vollständig versenkt werden, womit der Escalade zum echten Transporter wird. Dafür ist er aber eigentlich zu schade, denn die Materialanmutung ist viel anspruchsvoller als bei Tahoe und Suburban. Echtholz, Alcantara und großzügig verarbeitetes Leder heben den Gelände-Cadillac auf Oberklasse-Niveau. Statt analoger Instrumente gibt es einen großen TFT-Bildschirm, das Infotainment-System wird über einen berührungsempfindlichen Bildschirm bedient, und die Fondpassagiere können sich an einem veritablen Heimkino erfreuen. Und das ist erst der Anfang: „Wir beginnen dort, wo bisher die Platinum-Variante positioniert war“, sagt Entwickler David Schiavone. Beim neuen Modell kommt diese Spitzenvariante erst mit Verzögerung. Sie zielt damit auf extrem hochpreisige Konkurrenten wie den Range Rover Autobiography. Während sich Tahoe und Suburban mit einem 265 kW / 360 PS starken 5,3-Liter-V8 begnügen müssen, legt der Escalade noch einmal richtig nach: Unter der gewaltigen Haube arbeitet ein 6,2-Liter-V8 mit einer Spitzenleistung von 313 kW / 426 PS. Das maximale Drehmoment von 624 Newtonmetern wird bei 4100 Umdrehungen pro Minute (U/min) erreicht. Für die Kraftübertragung auf die Hinterräder oder alle vier Räder sorgt eine Sechs-Gang-Hydramatic. Trotz seines Leergewichts von über 2,6 Tonnen setzt sich der Escalade mit großer Vehemenz in Bewegung: Von 0 auf 100 km/h haben wir glatte sechs Sekunden gemessen, und 160 km/h werden in knapp 15 Sekunden erreicht, fünf Sekunden eher als der Tahoe. Leider ist bei 180 km/h – genau wie bei den schwächer motorisierten Schwestermodellen – Schluss mit dem Vorwärtsdrang. Theoretisch wären gut 230 km/h möglich. Der Verbrauch klettert bei forscher Gangart auf über 20 Liter pro 100 Kilometer. Wer sich an die Tempolimits hält, kommt aber auch mit knapp über der Hälfte aus – ein erstaunlich guter Wert, der nicht zuletzt der Zylinderabschaltung zu verdanken ist. Leider ist vom grollenden Bass des Vorgängermodells kaum etwas übriggeblieben: Der neue Escalade ist flüsterleise. Ein sportliches Derivat könnte nachgelegt werden, und Cadillac denkt auch über einen V6-Turbodiesel nach. Die Hybridvariante bleibt hingegen wegen des geringen Erfolgs ohne Nachfolger. Trotz seiner ausladenden Dimensionen und dem hohen Schwerpunkt liegt der Escalade satt auf der Straße. Die Seitenneigung hält sich in kontrollierten Grenzen, besonders dann, wenn die Dämpfer im „Sport“-Modus agieren. Die Bremsanlage profiliert sich mit einem klar definierten Druckpunkt und hoher Leistung, und auch die elektrische Servolenkung agiert unerwartet präzise. Die Kehrseite der guten Fahreigenschaften ist das eher unkomfortable Abrollverhalten.
Für Europa gibt es noch keine Preise; vermutlich wird Cadillac für seinen Oberklasse-Geländewagen deutlich über 70 000 Euro verlangen. Damit liegt der Escalade oberhalb des Chevrolet Tahoe, der bei freien Importeuren für rund 60 000 Euro angeboten wird. Doch die Differenz ist gut investiert: Wer einmal Escalade gefahren ist, möchte nicht mehr zum Tahoe absteigen. (ampnet/jm)
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