Mittwoch, 23. März 2016 Cadillac XT5: Alternative für Individualisten
Cadillac XT5. Foto:Cadillac
Das Premium-SUV-Segment ist unaufhaltsam am Wachsen – und es wird geprägt von den gleichen Mitspielern, die den Markt für Limousinen dominieren, wie Audi, BMW, Land Rover und Mercedes-Benz. Alternativen sind rar gesät: Der Jeep Grand Cherokee, der einmal die Spitze des Segments markierte, ist in die Jahre gekommen. Doch jetzt gibt es eine neue Alternative aus Amerika: Der Cadillac XT5 ersetzt den betagten SRX, der sich auf dem US-Markt zwar im vergangenen Jahr besser verkaufte denn je, dem neuen und anspruchsvollen Cadillac-Image jedoch kaum noch gerecht wurde. Das neue Modell kommt keinen Moment zu früh. Bewegt es sich auf Augenhöhe mit den Deutschen?
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Schon stilistisch formuliert der XT5 einen höheren Anspruch. Markierte der mit grobem Strich gezeichnete SRX die Talsohle des Cadillac-Designs der letzten Dekade, so fügt sich der XT5 nicht nur in die aktuelle Formensprache ein, er führt sie in wichtigen Punkten auch weiter. Das gilt für die neuartigen, gleichzeitig beim CT6 eingeführten Scheinwerfer und den einprägsamen Kühlergrill ebenso wie für die komplex modellierte Flanke und das markant eingezogene Heck. Nochmals eindrucksvoller ist der Sprung im Interieur. Das formale Thema des Cockpits mit einer schmalen, horizontalen Leiste von Luftausströmern ist sehr modern, und es harmoniert hervorragend mit den geschmackvollen, teils ungewöhnlichen Farb- und Materialwelten, die den XT5 an die Spitze des Segments katapultieren. Ein schöneres und sorgfältiger gearbeitetes Ambiente gibt es in dieser Klasse eigentlich nirgendwo sonst. Mit einigen betrüblichen Ausnahmen: Die Plastikhebel zum Verstellen der Rückbank und das billig wirkende Laderollo verströmen weder Eleganz noch Qualität. Und die graphischen Ikonen des Infotainment-Systems CUE sind stilistisch von vorgestern. Zudem verkleinert sich die Kartendarstellung für eine gefühlte Ewigkeit auf die Größe eines Schlitzes, sobald die digitalen Bedienmenüs auftauchen. Und das passiert automatisch, wenn man mit der Hand in die Nähe des Bildschirms kommt – zum Beispiel, um die Kartengröße anzupassen. Unerklärlich auch, dass der Schalter für die Fahrmodi nur verzögert reagiert. Der 3,6-Liter-V6-Motor des XT5 ist eine Neukonstruktion; das 231 kW / 314 PS starke Aggregat verfügt über eine unmerklich operierende Zylinderabschaltung und ist an eine 8-Stufen-Automatik gekoppelt. Vorderradantrieb ist Serie, Allrad gibt es gegen Aufpreis. Das Allradsystem ist mit einer Trennkupplung ausgerüstet, der Hinterradantrieb abschaltbar; das vom Zulieferer GKN entwickelte System entspricht dem des Range Rover Evoque. Das funktioniert gut, aber nicht so gut wie das ähnlich konzipierte Ultra-Quattro-System von Audi, das in allen Versionen des kommenden Q5 eingesetzt wird. Dank seines gegenüber dem SRX um mehr als 130 Kilogramm abgesenkten Gewichts ist der XT5 adäquat motorisiert, nach über 300 PS fühlt sich der Antrieb allerdings nicht an. Denn die Fahrgewohnheiten und Erwartungen haben sich duch den Siegeszug moderner Turbomotoren verschoben; diese liefern schon bei niedrigen Drehzahlen mächtig Schub. Der Sechs-Zylinder-Saugmotor des Cadillac muß hingegen ausgedreht werden – ein Vorgang, der mit einer gewissen Lustlosigkeit vonstatten geht. Dabei sind die Fahrleistungen objektiv mehr als ausreichend; der Spurt von 0 auf 100 km/h gerade einmal sieben Sekunden. Das Fahrwerk wird mit dem Antrieb des XT5 nicht überfordert; es verfügt über einen im Vergleich zum SRX deutlich höher liegenden Grenzbereich, ist aber trotzdem deutlich komfortorientiert ausgelegt. Wenn das SUV an die Haftungsgrenze gelangt, greift die Stabilitätskontrolle relativ abrupt ein; spürbarer Tadel erfolgt zudem per Gurtstraffer, der den übermütigen Fahrer unbarmherzig im Sitzmöbel fixiert. Obwohl der Cadillac XT5 in der Summe seiner Eigenschaften mit der etablierten Konkurrenz gleichzieht und sie in Ambiente und Designqualität sogar teilweise übertrifft, dürfte ihm größerer Markterfolg in Europa versagt bleiben. Denn die Nachfrage nach SUV mit konventionellen Ottomotoren ist hier vernachlässigbar. Ohne Turbomotoren, im Idealfall auch die Option auf einen Diesel, wird dieses Premium-SUV kaum über den Status eines Geheimtipps für Individualisten hinauskommen. Doch wer der üblichen Mischung aus Langeweile und Protz, die das Segment prägt, überdrüssig ist, sollte sich den Amerikaner trotzdem einmal genauer anzusehen. In Deutschland kommt er Mitte des Jahres auf den Markt. Von Jens Meiners
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