Um es gleich vorwegzuschicken - der Cadillac STS mit dem 4,6-Liter-Achtzylinder braucht keine 25 Liter. Unser Schnitt bei einem hohen Anteil schnell gefahrener Autobahn lag bei 15,2 Liter. Cadillac selbst gibt 14,4 Liter Super als Durchschnittsverbrauch an. Das ist für ein Fünf-Meter-Auto mit rund zwei Tonnen Leergewicht nicht übertrieben viel, wenn 325 PS bei 6400 Umdrehungen pro Minuten und ein maximales Drehmoment von 427 Newtonmeter bei 4400 U/min zur Verfügung stehen. Der STS beschleunigt in 6,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h, die Spitze wird mit 250 km/h angegeben. Das liest sich alles sehr europäisch. Und der STS fährt sich auch fast so. Sein für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich aufwändiges Fahrwerk mit variabler Dämpfung lässt aus ihm zwar kein Ausbund an Agilität werden, aber er rollt mit seinen 255/45 R 18-Reifen auch bei hohen Geschwindigkeiten stabil und lässt sich dank seiner ZF-Lenkung auch sauber dirigieren. Die Federung ist natürlich komfortabel ausgelegt, aber sie lässt die Insassen kurze Stösse spüren und hören. Die Brembo-Scheibenbremsen werden ihrem Image gerecht. Und für den Fall, dass es einmal eng wird, helfen ein Bremsassistent und das bei Cadillac "Stabilitrak" genannte ESP-System. Europäische Technologien und Zulieferer - einschliesslich Brose für das Soundsystem - haben also einen grossen Anteil am STS. Das wird General Motors-Tochter Cadillac nicht ohne Hintersinn entschieden haben. So fällt die Annäherung an das europäische Niveau leichter. Und das gefällt den Premiumkunden in aller Welt, auch in den USA. Aber den Aufstieg bis zum europäischen Premium-Niveau hat der STS noch nicht geschafft. Trotz einer Aussenlänge fast im Format eines Audi A8 wird es für die Hinterbänkler eng und der Kofferraum erreicht mit nur 464 Liter ein Mass, wie wir es aus der Mittelklasse kennen. Bei der Innenraumgestaltung wünscht sich der Europäer mehr Liebe zum Detail. Die Verarbeitung gelang laut Auto-Reporter eher mässig, die Flächen der Armaturentafel wirken in der Gestaltung eher lieblos. Daran ändert auch der Einsatz von viel Holz wenig, denn das wirkt im STS wie Kunststoff. Aber auch am Arbeitsplatz des Fahrers werden die Widersprüche des aktuellen Cadillac sichtbar: Die Armaturentafel wirkt zwar billig, die Armaturen selbst sind aber Hightech, gut gestaltete und gut ablesbare Projektionen. Es fehlt eigentlich nichts, was den Anspruch des Cadillac, nun wieder zur Spitze des Automobilbaus zu gehören, untermauern kann: beheizbare Ledersitze mit Memory-Funktion, eine DVD-Navigation mit Touchscreen und Sprachsteuerung, Xenon-Licht, Einparkhilfen vorn und hinten sowie ein Reifendruck-Kontrollsystem und vieles mehr sind an Bord. Cadillac will also Erfolg auch ausserhalb der USA und nähert sich dafür den Premiummarken dieser Welt mit Respekt. Wie gross dieser Respekt ist, zeigt untern anderem die DVD-Navigation, die besonders von der "German Autobahn" beeindruckt zu sein scheint. Für längere Autobahnetappen legt sie bei der Streckenplanung stets eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 150 km/h zugrunde. Es liegt nicht am STS, wenn man diesen Durchschnitt nicht schafft. Der reist gern über längere Zeit mit 200 km/h. Es liegt also an der Autobahn, wenn dieser Wert zu hoch gegriffen ist. Niemand ist perfekt. Die Autobahn nicht und der Cadillac STS auch nicht. Dabei ist der STS dennoch ein angenehmer Reisewagen für Langstrecken und diesseits des Atlantiks auch ein echter Hingucker. Und das alles gibt es hier für 15'000 Euro bis 20'000 Euro weniger als eine vergleichbare Premium-Limousine deutscher Produktion.
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