Bei BMW war man sich der Einmaligkeit der Mille Miglia Fahrzeuge schon bald nach dem Sieg 1940 bewusst und so schaffte man sie schon bald aus München weg, um sie auf dem Land versteckt vor der Zerstörung im Krieg zu schützen. Das gelang auch, denn alle fünf Fahrzeuge überlebten nahezu unversehrt. Es waren allerdings die Wirren der frühen Nachkriegszeit, die dazu führten, dass BMW die Wagen verlor. Einige alliierte Soldaten waren bereits in ganz Deutschland auf der Suche nach seltenen Rennfahrzeugen. Und so kam es, dass die drei Mille Miglia Roadster nach Russland, England und Amerika gingen. Das siegreiche Touring-Coupé, zunächst in der Hand der Amerikaner, wurde durch einen leitenden BMW Mitarbeiter gerettet. Er nahm es aber bei seiner Auswanderung ebenfalls mit über den großen Teich.
Lediglich das Kamm-Coupé blieb in Deutschland. Ernst Loof, der frühere BMW Rennleiter, hatte es für sich gesichert und nutzte es als Privatwagen. Mittlerweile war er selbst zum Autohersteller geworden und versorgte das aufstrebende Nachkriegsdeutschland mit den schnellen Veritas Rennsportwagen. Immer in finanziellen Nöten, musste er sich nach einigen Jahren von dem Schmuckstück trennen. Ein langes Leben unter seinem neuen Besitzer war dem Kamm-Coupé allerdings nicht beschieden, denn schon Anfang der 50er Jahre wurde es nach einem Unfall verschrottet.
Über den historischen Wert dieses einmaligen Fahrzeugs gab es keinen Zweifel, als BMW Mitte der 90er Jahre anfing, durch die Gründung der „BMW Mobile Tradition“, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte in größerem Rahmen zu organisieren. Pläne zu einem Nachbau des Kamm-Coupés waren schnell geboren. Doch die Wiederherstellung gestaltete sich schwierig, denn es gab keinerlei Konstruktionsunterlagen darüber, auch der Bestand an historischen Fotos war gering. Unter tatkräftiger Mithilfe eines Münchner Privatsammlers gelang es jedoch, nicht nur einen größeren Bestand an Fotos zusammen zu tragen, die das Fahrzeug in verschiedensten Perspektiven zeigten, auch standen nun wieder genügend Aufnahmen der eigentlichen Rohrrahmen-Konstruktion zur Verfügung.
Nun ging es an die schwierige Aufgabe, aus den vorhanden Informationen das Abbild eines Gesamtfahrzeugs zu formen. Einige Computerspezialisten in der Designabteilung nahmen die Herausforderung an. Zunächst wurden die aussagekräftigsten Fotos gescannt, um als Basis in einem 3D-Geometrieprogramm zu dienen. Dann wurden die einzigen sicheren Konstanten wie Felgendurchmesser, Einpresstiefe, Größe der Scheinwerfer, Türgriffe, Flügelmuttern, Winker und BMW-Embleme eingearbeitet, bis sie in jeder Projektion am gleichen Platz standen. Jedes Bild ergab dann weitere Bezugspunkte für Radausschnitte, Fenster und andere Teile in Bezug auf die festgelegten Konstanten. Nach und nach verdichtete sich die Information, bis sich ein virtuelles Volumenmodell ergab, in dem jedes Detail mit jeder Ansicht des Fahrzeuges übereinstimmte. Daraus wurde ein Fräsprogramm generiert, das mittels einer 5-Achsen-Fräsmaschine aus einem riesigen hochverdichteten Schaumblock ein Modell in Originalgröße heraus fräste.
Ein Restaurator wurde dann damit beauftragt, ein originales BMW Chassis um 20 cm zu verlängern und einen Stahl-Gitterrohrrahmen nach den Fotovorlagen zu bauen. Nach kurzer Zeit wurde das Projekt allerdings zunächst zurückgestellt. Im Rahmen der Konzeption für das Neue BMW Museum kam die Idee auf, den filigranen Elektron-Gitterrohrrahmen des Kamm-Coupés als Demonstrationsobjekt für den Bereich „Leichtbau“ wieder herzustellen. Mit Hilfe eines Spezialisten aus dem Münchner Umland gelang es auch, eine genaue Kopie des ursprünglichen Gitterrohrrahmens zu bauen. Als Material wählte man Aluminium anstelle des ursprünglichen Elektrons und kam damit gewichtmäßig dem Original schon sehr nahe. Im März 2010 war es dann endlich so weit: das BMW 328 Kamm-Coupé wurde in einer kleinen Zeremonie an die „BMW Classic“ übergeben.
|