Unser Testfahrzeug ist mit rotem Leder ausgeschlagen, der Dachhimmel noch abgehängt: Hier hat sich BMW, wie bei der Studie, noch einige Spezialeffekte ausgedacht. Vorne packen die Sitzwangen zu, das Lenkrad ist griffig: Eine Burg von einem M. Die Rückbank ist vor allem bequem, im Fond herrscht Lounge-Gefühl, mit Raum und Kopffreiheit wie in einem Chauffeurswagen. Besonders hübsch ist die M-Tasche im Gepäckraum: Sie ist für das Ladekabel gedacht – jenes Utensil, das bei vielen Hybriden mal jungfräulich unbenutzt, mal nass und verdreckt im Kofferraum Platz wegnimmt.
Ein Ladekabel? Ja, auch der XM hat einen Elektroantrieb, eine in die Automatik integrierte Plug-in-Hybridisierung, die im Zusammenspiel mit dem überarbeiteten 4,4-Liter-V8 für eine Systemleistung von stolzen 650 PS (480 kW) sorgt. Maximal 800 Newtonmeter Drehmoment können abgegeben werden, der E-Motor alleine schafft bis zu 450 Nm. Damit kommt man deutlich über 60 Kilometer weit, ohne den Achtzylinder zu bemühen; nach der phantasievollen WLTP-Norm sollen es sogar 80 Kilometer sein.
Und so werden XM-Fahrern zahlreiche Vergünstigungen aus dem Füllhorn der Elektro-Subventionen zuteil; sie können umweltfreundlich und erhobenen Hauptes an den konventionell angetriebenen Massen vorbeiziehen. Natürlich kann der XM auch anders. Dann öffnen sich die Klappen in den unteren zwei Endrohren und der Achtzylinder trompetet fröhlich die echte Freude am Fahren heraus.
Übrigens wird es auch noch eine Spitzenversion mit 750 PS und 1000 Nm Drehmoment geben. Doch bei unseren Testfahrten kam erwartungsgemäß heraus, dass der XM auch mit 650 PS mehr als üppig motorisiert ist. Das Zusammenspiel von Verbrennungsmotor und E-Antrieb funktioniert nahtlos und perfekt, und wie schwierig das hinzubekommen ist, konnten wir erst vor kurzem bei Testfahrten mit einem Hybridfahrzeug italienischer Provenienz erleben. Nur im M2-Modus werden die Gangwechsel deutlich spürbar, und zwar absichtlich: Der nächste Gang wird dann jeweils mit derartigem Nachdruck eingelegt, dass der XM förmlich nach vorne springt.
Genauso eindrucksvoll ist die Ingenieursleistung der Fahrwerksentwickler. Der XM ist das erste M-Fahrzeug mit 2,5-Grad-Hinterachslenkung. Bisher hatte die M GmbH auf diese Technik verzichtet, denn sie verstärkt die Neigung zum Untersteuern – und ein untersteuerndes Fahrverhalten schätzt man in Garching überhaupt nicht, wie der verantwortliche Fahrzeug-Dynamiker Jens Leopoldsberger beteuert. Auch die Lenkpräzision genoss höchste Priorität, ein mit 48-Volt-Technik betriebener Wankstabilisator egalisiert die Rollneigung, die Stoßdämpfer wurden bei gleichem Bauraum völlig umkonstruiert. Der Anspruch war klar: Die überragende Fahrdynamik eines X5 M und X6 M zu erreichen, aber bei mehr Komfort. Keine leichte Aufgabe, denn es ging auch darum, viele neue Bauteile zu integrieren und sie so zusammenzufügen, dass sich das Fahrzeug nicht synthetisch anfühlt.
Das Entwicklungsziel wurde erreicht: Der XM zeigt trotz seines hohen Gewichts und Allradantrieb keinerlei Untersteuerneigung, es ist vielmehr gut erlebbar, wie das Heck bei zügiger Gangart kontrolliert nach außen drängt und so leicht beherrschbar übersteuert. Der XM ist zwar komfortabel, lenkt aber präzise dorthin, wo der Fahrer ihn haben möchte, und das Fahrwerk gibt gute Rückmeldung über den Fahrbahnzustand. Mit einer Ausnahme: Der Wankstabilisator meint es für unsere Begriffe etwas zu gut, er könnte durchaus einen Rest an Seitenneigung zulassen. Die Nuancen hängen dann noch von der Bereifung ab. Die 21-Zoll-Standard-Räder sorgen für den besten Komfort, es gibt aber auch 22- und 23-Zoll-Räder, die nicht nur besonders eindrucksvoll aussehen, sondern das Fahrverhalten nochmals sportlicher machen.
Aggressiv gezeichnet, brutal schnell und äußerst luxuriös: Man muss den deutschen SUV-Hatern geradezu dankbar sein, dass sie eine derart überzeugende Antwort provoziert haben. (Matthais Knödler, cen)
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