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Mittwoch, 15. Mai 2013 Bentley Flying Spur: Very british

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Foto:Auto-Medienportal.Net/Bentley Foto:Auto-Medienportal.Net/Bentley

Was braucht es, um „very british“ zu sein? Ein bisschen Stolz und Extravaganz vielleicht, ganz sicher Fairness, gute Manieren und wohl auch eine Prise Unvollkommenheit. Seit 1998 ist die englische Marke Bentley im Besitz des deutschen Volkswagen-Konzerns. Ist die neue Limousine Flying Spur trotzdem „very british“?
Der Wohlstand wächst auf der Welt, das ist schon mal klar. Bei dem englischen Luxuswagen-Hersteller Bentley fallen die Quartalswechsel wieder zuverlässig mit neuen Absatzrekorden zusammen. Mehr als 20 000 Einheiten wurden weltweit vom Vorgänger des Flying Spur abgesetzt, einem Auto, das in Deutschland um die 200 000 Euro kostet. Dass zuletzt rund 50 Prozent der Produktion bei chinesischen Kunden landeten, könnte den Verdacht befördern, der Zwölfzylinder sei dort günstiger zu haben als hierzulande. In Wahrheit ist er wegen der Luxussteuer noch deutlich teurer. Beim Hersteller geht man davon aus, dass künftig noch mehr Betuchte im Reich der Mitte Bentley fahren wollen.

 

Mag sein, dass Bescheidenheit nicht zu den typisch englischen Tugenden zählt, denn Bentley nennt den Flying Spur in seinen Präsentationstafeln unverblümt „die beste Luxuslimousine der Welt“. Ob das die Besitzer eines Bentley Mulsanne auch so sehen, steht dahin. Die Eigenschaft „Stolz“ erfüllt das neue Auto ohne jeden Zweifel, denn es ist 5,30 Meter lang und 2,5 Tonnen schwer. Edles Holz und geschmeidiges Leder sind darin in einer Menge verbaut, dass man daraus fast eine Polstergarnitur nebst Couchtisch machen könnte. Zehn Rinder, so heißt es, tragen dafür ihre Haut zum Kürschner.

Die Frage, ob der Luxusathlet nun ein wirklich neues Fahrzeug oder „nur“ ein Facelift sei, ist rein akademischer Natur. Nachzählbar sind laut Bentley die rund 600 Neuteile, sichtbar ist die viel harmonischere und eigenständige Gestaltung der Karosserie, wo eine kräftige Schulterpartie an der C-Säule andockt und in den neuerdings aus Verbundwerkstoff gefertigten Kofferraumdeckel übergeht. Er ist mitverantwortlich für die rund 50 Kilogramm Gewichtsersparnis gegenüber dem Vorgänger, was aber von Bentley zu Recht nicht als großer Durchbruch gefeiert wird, sondern eher als Kollateral-Nutzen der Verwendung modernen Baumaterials. Der Cw-Wert von 0,29 spricht für ausgefeilte Aerodynamik.

Wer nach Extravaganz sucht im Flying Spur braucht sich nicht lange umzuschauen. In Form einer smartphone-ähnlichen Fernbedienung für Klima- und Entertainment-Funktionen ist sie offenkundig. Oder ist es gar schon snobistisch, den Getränkehalter an der Mittelkonsole mit einer Brillenschatulle zu verschließen, deren Oberschale das erlesene Furnier des Armaturenbretts spiegelt? Die ganze Pracht eines mittelenglischen Adelssitzes ist hier in handgenähte Lenkradbezüge, verchromte Ausströmerhebel und ein gekühltes Getränkefach zwischen den Fond-Sesseln destilliert.

Zur Fairness des englischen Edelmannes gehört, dass man sagt, wen man anzugreifen gedenkt. Und womit. Die durch vergleichbar große Motoren angetriebenen Rolls-Royce Ghost zum Beispiel oder die S-Klasse von Mercedes-Benz, auch Sportlimousinen vom Schlage eines Aston Martin Rapide oder Maserati Quattroporte. Mittel zum Zweck ist ein 6,0-Liter-Zwölfzylinder in extrem kurz bauernder W-Anordnung. 625 Pferde werden von einem Acht-Gang-Getriebe gebändigt. Sind sie von der Longierleine gelassen, kriegt der Flying Spur Flügel und stürmt auf 322 km/h – Weltrekord für Viertürer. „Anstrengungslose Beschleunigung“ hat Bentley als Markenwert definiert, mit 800 Newtonmeter Drehmoment klappt es überzeugend. Gemessen an Gewicht und Leistungskraft erscheinen 14,7 Liter Normverbrauch durchaus akzeptabel, wenngleich auf der Teststrecke trotz verhaltener Fahrweise 16,5 Liter nicht zu unterbieten waren.

Selbst der Spurt auf 100 km/h in unter fünf Sekunden geht so dezent und unaufdringlich vonstatten, dass an den guten Manieren nicht zu deuteln ist. Der Sherwood Forest früh morgens um drei Uhr dürfte kaum geräuschärmer sein, als der Innenraum des Flying Spur bei Autobahntempo.

Der vollkommene Edel-Renner also? Zum Glück nicht. Das Navigations-System des ersten Flying Spur war dem Komfort-Anspruch der Marke nicht gewachsen. Das neue ist besser. Vorbildlich in Sachen Informations-Niveau und Bedienbarkeit ist es freilich noch nicht. Zu den mit einem Schmunzelns quittierten Unvollkommenheiten gehört das Funktionssymbol auf der Taste für die Dämpfereinstellung: Es zeigt die Silhouette eines Bentley Continental GT.

Legt man die eingangs aufgestellten Kriterien zugrunde, so darf der neue Zwölfender aus Crewe in vollem Umfang als „very british“ gelten. Nicht umsonst wird trotz deutscher Chefs und Ingenieure, trotz deutschen Motors nebst Getriebes, immer wieder betont, dass sich „die Entwicklungshoheit“ im englischen Stammsitz des Unternehmens befinde. Teutonische Gestaltungskraft bricht sich unterdessen im verborgenen Bahn: am Zigarrenanzünder zum Beispiel. Dort prangt der Schriftzug „Made in Germany“. (ampnet/ab)

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