Freitag, 20. November 2015 Bentley Bentayga: Luxuriöse Lizenz zum Kraxeln
Bentley Bentayga. Foto:Auto-Medienportal.Net/Bentley
Ob die Schönen und Reichen bald die Wildnis als ihre neue Spielwiese entdecken, muss sich noch erweisen. Auf jeden Fall haben sie ab Januar 2016 das richtige Gefährt dafür: Dann kommt der Bentley Bentayga auf den Markt. Er soll keine Kompromisse eingehen, verspricht der Hersteller, weder beim Luxus, noch bei der Geländetauglichkeit. Weder Geld noch gute Worte könnten helfen, wenn vermögende Deutsche heute auf die Idee kämen, eines der ersten Bentley-SUV ihr Eigen nennen zu wollen. Die „First Edition“ ist längst ausverkauft. Im Rahmen eines sehr exklusiven Abendessens wurden den handverlesenen Gästen quasi zum Dessert ein Kaufvertrags-Entwurf gereicht. Das für den einheimischen Markt vorgesehene Kontingent von 25 Exemplaren war binnen Kurzem „gegessen“. So müssen sich andere Feinschmecker bis Januar gedulden, wenn die Auslieferungen beginnen.
|
Dass Bentley es auf Dauer den Nachbarn aus dem 70 Meilen entfernten Solihull überlassen würde, höchsten Komfort mit solider Offroad-Kompetenz zu verknüpfen, war nicht zu erwarten. Range Rover hatte seit 1970 die Klasse der High-End-Allradler praktisch für sich gepachtet. Um so wichtiger ist es für Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer und Projektleiter Peter Guest, die Eigenständigkeit und das Unverwechselbare des Bentaygas hervorzuheben. Da ist der Antrieb zu nennen, den es so weder aus Zuffenhausen noch aus Ingolstadt gibt. Der Sechs-Liter-Zwölf-Zylinder-Motor, gebaut in der Platz sparenden W-Form, leistet 447 kW / 608 PS. Von zwei Turboladern zwangsbeatmet kann er ein maximales Drehmoment von 900 Newtonmetern mobilisieren. Diese Durchzugskraft gibt für Peter Guest die Rechtfertigung, auf die sonst zum Nachweis der Geländetauglichkeit übliche Getriebe-Untersetzung zu verzichten. Das nachhaltig überarbeitete Aggregat verfügt über eine Zylinderabschaltung, die in bei geringer Last wie einen Reihen-Sechszylinder arbeiten lässt. Sportlichkeit war immer Kennzeichen der Bentley-Produkte und so überrascht es nicht, dass der Bentayga binnen drei Monaten noch einen erstaunlichen Zuwachs an Höchstgeschwindigkeit erlebte. Im Juli war in einem kleinen Kreis von Bentley-Vertretern und Fachjournalisten die Frage nach dem Maximal-Tempo mit 290 km/h beantwortet worden, kurz vor der IAA, wo die Öffentlichkeit das Auto erstmals zu Gesicht bekam, lautete der Wert plötzlich 301 km/h. Ein Wert, der laut Entwicklungschef Rolf Frech „noch besser zur Marke passt“. Dass in Regionen jenseits von 250 km/h ein erheblicher technischer Aufwand nötig ist, um minimale Temposteigerungen zu generieren, weiß jeder, der über Grundkenntnisse in Aerodynamik verfügt. Seidig schnurren die Kolben durch die Halbliter-Brennräume, wenn der Gasfuß Zurückhaltung übt. Die akustische Abschottung des Luxus-Kosmos diesseits der Türen von den Zumutungen der Außenwelt gelingt nahezu perfekt. Das Abrollgeräusch von 22-Zoll-Reifen ist nicht wegzufiltern, schließlich sind sie die einzige Kontaktstelle der Insassen mit der sie umgebenden Realität. Spontan und willig befördern die 48 Einspitzdüsen bei Anforderung Gemisch in die Zylinder, die Acht-Gang-Automatik hat unterdessen zwei oder drei Stufen zurückgeschaltet, der 2,4-Tonner schießt mit einer Energie vorwärts, dass es eine wahre Pracht ist.
Den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h erledigt er nicht langsamer als der neue Porsche 911. Einzig der von Motor und Abgassystem erzeugte helle und hohe Klang will nicht recht zu dem souveränen Auftritt passen. Tiefer, voller und sonorer sollte das Organ solch eines Schwerathleten sein, die souveräne Performance verlangt ein akustisches Pendant. Nur im Sport-Modus entwickelt der Auspuff eine bassigere Stimmlage. Die Lizenz zum Kraxeln liefert die serienmäßige Luftfederung. Sie kann die Karosse bis fast 300 Millimeter über Grund aufpumpen, was Sicherheit im Gelände verleiht, selbst die relativ großen Karosserieüberhänge fallen da nicht mehr störend ins Gewicht, die die Testfahrt eindrucksvoll bewies. Neigungswinkel von mehr als 25 Grad in jede Richtung könnten höchstens für die Insassen zum Problem werden, der Bentayga wühlt sich zuverlässig aus manch misslich erscheinender Lage heraus. Bisherigen Range-Rover-Fahrern wird der Umstieg dadurch schmackhaft gemacht, dass die Regelung der Fahrmodi und die Anpassung an unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten im Offroad-Betrieb per Drehknopf an der Mittelkonsole funktioniert. Die Gewichtsverteilung von 56:44 zwischen Vorder- und Hinterachse erlaubt ein ausgewogenes und neutrales Fahrverhalten. Dass vom Head-up-Display bis zur Einpark-Automatik, von der Kameraüberwachung des Umfeldes bis zum WLAN-Hotspot alle aktuellen Sicherheits-, Assistenz- und Komfort-Features (teilweise gegen Aufpreis) verfügbar sind, darf als selbstverständlich angesehen werden. (ampnet/afb)
|