Ein Bild seiner liebsten Kundin habe er stets in der Hosentasche, verblüfft Richard Charlesworth gern seine Zuhörer. „Hier“, feixt der 60-jährige Schnauzbartträger, der selbst gut als distinguierter Adliger durchgehen würde, „das ist sie!“ Triumphierend hält er eine Zwanzig-Pfund-Note mit dem Porträt der Queen in die Höhe. Richard Charlesworth ist ein Bentley-Urgestein. Dass die offizielle Staatskarosse aber kein Rolls Royce mehr ist, wie es zuvor Jahrzehnte lang der Fall war, das ist unter anderem auch dem Verhandlungsgeschick Ferdinand Piëchs zu danken. Als der Volkswagen-Patriarch und sein damaliges BMW-Vorstandspendant Bernd Pischetsrieder um die Verteilung der Restbestände des zerfallenden Rolls-Royce-Konzerns verhandelten, deutete sich etwa zur gleichen Zeit und unabhängig davon in London an, dass die seinerzeit schon 45 Jahre regierende Elizabeth ein neues Dienstauto brauchen würde. Die notwendigen Gespräche mit dem Königshaus führte natürlich das Rolls-Royce-Personal, das damals auch die Marke Bentley mitverwaltete. Keiner von den englischen Autowerkern ahnte, wie sie auf der Basis der komplizierten Vereinbarungen der beiden Auto-Konzerne BMW und Volkswagen in mehreren Schritten aufgeteilt und in die jeweiligen Unternehmen integriert würden. „Die Queen hat sich damals fast täglich berichten lassen, wie es um die Verhandlungen steht und wer was bekommen wird“, erinnert sich Richard Charlesworth. Sie wollte immer auf dem neuesten Stand sein und sich nicht womöglich von deutschen Staatsgästen erzählen lassen müssen, wer welche der beiden britischen Firmen übernehmen würde“. Basis des 6,22 Meter langen Straßenkreuzers ist ein Bentley Arnage, damals das Spitzenmodell der Marke. Von ihm stammt auch der Antrieb, ein 6,75 Liter großer Achtzylinder, der in überarbeiteter Form heute noch im Bentley Mulsanne zum Einsatz kommt. Der Ausgangsmotor habe 400 PS gehabt, mehr technische Details will sich Charlesworth aber nicht entlocken lassen. Schon gar keine Angaben zum Fahrzeugsgewichts, denn daraus könnten Schlüsse auf Art und Umfang der Sicherheitseinrichtungen gezogen werden. Wer auf ca. vier Tonnen spekuliert, bekommt zur Antwort: „so etwa in der Größenordnung“. Die öffentlich zugänglichen Informationen sprechen von 835 Newtonmeter Drehmoment.
Der Radstand des alten Arnage wurde um 287 Millimeter verlängert, so dass nun 3,8 Meter zu Buche stehen. Das Dach ist bis auf 1,77 Meter angehoben und mit einer Panoramascheibe versehen. Queen Elizabeth, mit 1,63 Metern von eher überschaubarer Körpergröße, kann fast aufrecht in den Wagen einsteigen. Da ihr Gemahl, Prinz Philip, sie um ganze 25 Zentimeter überragt, sähe er natürlich auch neben ihr sitzend deutlich größer aus. Deshalb wurde das Sitzpolster auf einer Seite angehoben, so dass von außen beide Gesichter etwa auf gleicher Höhe erscheinen.
Die Polster im Fond sind nicht etwa mit Conolly-Leder oder Tierhaut anderer edler Herkunft bezogen. Auch das hat Tradition bei den gekrönten Häuptern auf der Insel. Graues, aber sehr feines Tuch ist es, worauf die Queen Platz nimmt. „Früher“, erklärt Adelsexperte Charlesworth, „als die Royals noch mit Pferdefuhrwerken unterwegs waren, saß der Kutscher im Freien auf gegerbter Tierhaut.“ Die blaublütigen Fahrgäste unterm Dach konnten die höherwertigen Polster, die gewebten Bezüge, nutzen.
Die Kühlerfigur, normalerweise der heilige George im Kampf mit dem Drachen, ist durch ein Schraubgewinde mit dem Sockel verbunden. Überschreitet das Fahrzeug mit der Queen an Bord die Grenze nach Schottland, tritt der schottische Löwe als Insignie der Macht an dessen Stelle. (ampnet/afb)
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