Mittwoch, 16. Oktober 2019 Bentley Flying Spur: Wo ist der beste Platz?
Bentley Flying Spur. Foto: Auto-Medienportal.Net/Michael Kirchberger
In mittlerweile 100 Jahren Unternehmensgeschichte hat die englische Luxusmarke Bentley manche Höhen und Tiefen erlebt. Waren es in der Frühzeit noch die Bentley Boys, allesamt motorsportbegeisterte Aristokraten von der Insel, die in legendären und schnellen Wettfahrten das eine oder andere Fass Whiskey in ihren Boliden von der Insel zu den bevorzugten Urlaubszielen an der Cote d’Azur transportierten, vor allem aber Bentley mit finanziellen Zuwendungen über Wasser hielten, so war es in der Neuzeit der VW-Konzern, der den Briten unter die Arme griff. Wenn Ende des Jahres die dritte Generation der Edel-Limousine Flying Spur zum erlauchten Kunden gelangt, kann der sich über ein High-Tech-Bündel freuen, das in ähnlicher Form nur im Porsche Panamera oder im Audi A8 zu finden ist.
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Seit 1998 gehört die Traditionsmarke zu Volkswagen. Während sich BMW Rolls-Royce als Luxusschmiede schnappte, haben die Wolfsburger Bentley übernommen. Und mit umfangreicher Konzern-Technik bedacht. Dass in der seit 1958 dritten Neuauflage des Flying Spur ein in Wolfsburg ersonnener W12-Zylinder mit sechs Litern Hubraum unter der ewig langen Haube arbeitet, dürfte den britischen Stolz kaum berühren. Glamourös ist der Luxus an Bord, die Leder- und Holzarbeiten eines Monarchen würdig. Der Basispreis lässt da kaum die steife Oberlippe eines Oberhaus-Lords zucken. Wenigsten 214 676 Euro kostet das nach dem noch elitäreren Mulsanne zweite Spitzenmodell der Marke. Später sollen eine V8-Version folgen und sogar eine elektrifizierte Variante mit Hybridantrieb.
Für viele mag es der Reiz des Außergewöhnlichen sein, der das Interesse am schweren Wagen weckt. Das Konzept ist stimmig, anspruchsvolle Automobiltechnik trifft auf eine überaus stilsichere Einrichtung. Die Aura muss nicht wiederbelebt werden, wie das eher erfolglos Daimler mit Maybach versucht hat, Bentley ist Bentley und deshalb hochexklusiv. Schon die Größe beeindruckt. 5,32 Meter misst die viertürige Limousine in der Länge, der Radstand von knapp 3,20 Metern verspricht schon optisch viel Platz im Fond. Der mächtige Kühlergrill mit jetzt vertikal angeordneten Rippen schiebt sich respektheischend voran, das Scheinwerfer-Quartett leuchtet natürlich mit LED-Technik, die filigranen Masken hinter dem Glas muten an wie ein Swarowski-Kunstwerk.
Damit der Wendekreis trotz des langen Radstands noch sozialverträglich ist, bekommt der Flying Spur eine Allradlenkung. Bei Rangiertempo lenken die dicken 21 Zoll-Leichtmetallräder gegensinnig, bei schnellerer Fahrt dann in die gleiche Richtung. Als Ergebnis genügen dem Flying Spur 11,05 Meter zum Wenden, außerdem verringert sich die Gierneigung bei schnellen Kurvenfahrten und flinken Fahrmanövern. Ein permanenter Allradantrieb mit variabler Kräfteverteilung garantiert, dass die wuchtige Kraft des W12 in Vortrieb umgesetzt wird – 635 PS (467 kW) gilt es zu bändigen. Vor allem aber das hohe Drehmoment des Zwölfzylinders stellt den Antrieb vor eine Herausforderung. 900 Newtonmeter stemmt die Maschine, die auch im SUV Bentayga und im Coupé Continental GT Dienst tut, bei eben mal 1350 Umdrehungen in der Minute. Wenn Krafteinsatz gefordert wird, übertreibt der mehr als seidig laufende Motor nicht mit hemdsärmeliger Geräuschentwicklung. Ganz Gentleman meldet sich die Maschine dann kraftvoll, aber nicht ungezogen zu Wort.
2437 Kilogramm wiegt der Flying Spur, in 3,8 Sekunden gelingt es dem Antrieb, das immense Gewicht von null auf 100 km/h zu beschleunigen. Da wird manch Supersportler neidisch. Mit einem Spitzentempo von 333 km/h ist Bentleys Jüngster außerdem die wohl schnellste Serienlimousine der Welt. Ein Prädikat, das bereits die beiden Vorgänger für sich beansprucht haben. Der W12, der einst in etwas zahmeren Versionen im verblichenen VW Phaeton Dienst geschoben hat, ist ein durstiger Geselle. Damit sein Konsum nicht völlig aus dem Rahmen fällt, werden sechs Zylinder im Teillastbereich in den vorübergehenden Schlaf versetzt und abgeschaltet. Der Übergang geschieht kaum merklich, weder akustisch fällt der Unterschied auf, noch gibt sich die Ab- und Zuschaltung durch einen Ruck zu erkennen. 14,8 Liter Benzin verbraucht die Maschine laut WLTP-Zyklus auf 100 Kilometer. Nach einigen 100 zügig, aber nicht am Limit zurückgelegten Meilen durch die provenzalischen Alpen zeigte der Bordcomputer dann doch 17,7 Liter als Mittel an. 90 Liter passen in den Tank, da heißt es haushalten.
Eine weitere deutsche Zutat bekommt der Flying Spur mit dem achtgängigen Doppelkupplungsgetriebe. Es wird aufgrund des harmonischen Verlaufs der Drehmomentkurve selten wirklich gefordert, sanft wechselt es die Übersetzungen und findet stets die passende Drehzahl. (ampnet/mk)
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