Am Streckenrand steht Andreas Graf. In seiner Hand eine Checkliste, damit das Team an diesem Wochenende auf dem Bosch Prüfzentrum Boxberg auch nichts vergisst. Handlingkurs, Fahrdynamikfläche, Tunnel und bei voller Fahrt durchs Wasser. Die Aufgabe: den rasanten Charakter eines Audi RS 5 einzufangen. Nicht im Bild, sondern nur auf der Tonspur. Die Toningenieure sammeln alle Fahrgeräusche des sportlichen Modells, die in freier Wildbahn zu hören sein können: bei hoher Geschwindigkeit und einer Vollbremsung, auf Kopfsteinpflaster oder nassem Asphalt.
Als Geschäftsführer der Sound Agentur „Klangerfinder GmbH & Co KG“ kennt sich Käppler mit Tönen aus. Zusammen mit Graf, Managing Partner der „s12 GmbH“ arbeitet er für Audi an einem Projekt, mit dem die Ingolstädter ein neues Feld im Marketing besetzen wollen: Dem Corporate Sound. „Audi hat eine klare Designsprache: Sie erkennen unsere Marke heute sofort, wenn Sie ihr auf einem Plakat, einer Veranstaltung oder in einem Werbespot begegnen“, so Corporate Sound Projektleiterin Magarita Bochmann. „In Zukunft werden sie Audi auch mit geschlossenen Augen erkennen.“
In einem eigenen Sound, so ist man in Ingolstadt überzeugt, liegt viel Potenzial. Musik geht unter die Haut; sie macht eine Filmszene erst emotional. Ein spannendes Feld, das von Marken noch kaum genutzt wird. „Natürlich haben viele Unternehmen ein Soundlogo, das am Ende eines Spots eingespielt wird. Der Spot selbst wird dann aber meist mit eher beliebiger Musik unterlegt“, so Graf. „Alles ist bombastisch, aber es klingt am Ende auch alles ähnlich.“ Der Beweis für Graf: Geht man in der Werbepause des Sonntagabend-Blockbusters in die Küche, kann selbst ein geübtes Ohr keinen Unterschied zwischen den Spots der einzelnen Automobil-Marken machen.
Grund dafür ist laut Käppler, dass die Komponisten der digitalen Musikstücke und Markenklänge alle auf allgemein verfügbare Sounddateien zurückgreifen. Die Werbeklänge speisen sich also weitgehend aus dem gleichen Pool. Aus diesem Einheitsklang will die Marke mit den Vier Ringen ausbrechen: Sie legt eine eigene Sound-Datenbank an, die für jede klangliche Gestaltung von Audi verwendet werden soll – und zwar nur von Audi. Tonfarben und -abfolgen, exklusiv entwickelte Instrumente, ganze Melodien: charakteristische Geräusche, auf die für die Marke arbeitende Komponisten zugreifen.
„Unsere Aufgabe war, herauszuarbeiten, wie Audi klingt, und daraus ein möglichst flexibel und kreativ nutzbares Portfolio an Sounds zusammen zu stellen“, so Bochmann. Der naheliegendste Ansatzpunkt für den typischen Audi-Sound: Die eigenen Autos. In Werbefilmen speisen sich Motoren- und sonstige Sounds rund um das Automobil oft aus Marken-unspezifischen Aufnahmen, die dann am Computer nachbearbeitet werden. Das Corporate Sound-Team bei Audi begab sich entsprechend daran, jedes Geräusch live aufzunehmen – von jedem einzelnen Audi Modell. Unzählige Mikrofone sind dafür nötig – im Innenraum, über den Reifen, im Motorraum, an den Türen. Die Bedienung des Verdecks, das Setzen der Blinker, die Steuerung des MMI und das Öffnen und Schließen der Türen – jedes Klicken, Schlagen, Ticken wird aufgenommen. Zusammen mit den Fahr-Aufnahmen vom Hochgeschwindigkeitskurs bilden diese Klänge den ersten Bestandteil der Audi Sound-Datenbank. „Mit diesem umfassenden Klangkatalog kann in der Postproduktion eines Produktvideos jede Szene um das jeweilige Modell vertont werden – mit den Originalsounds“, schwärmt Graf. „Dabei haben wir die Klänge mit eigens entwickelten Aufnahmeverfahren so aufgezeichnet, dass man einen Perspektivwechsel nun auch hören kann: Der Ton kann aus verschiedenen Richtungen kommen“, ergänzt Käppler.
Doch das Projekt geht weit über die Soundaufnahmen der Autos hinaus. Über Monate wurde in Stuttgart und München das Corporate Sound Konzept markenstrategisch entwickelt und gemeinsam mit Audi definiert.
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