In typisch italienischem Tornadorot stand jetzt das Exemplar vor mir, bei dem ich nach fast 30 Jahren nun doch ins Lenkrad greifen durfte. Wie jede Begegnung mit einem Veteranen begann auch diese mit Respekt und einem Hauch von Ehrfurcht vor dem Alter, obwohl der Sport Quattro mit seinem kurzen Radstand von 2225 Millimetern eher ein bisschen wackelig auf den Rädern zu stehen scheint. Das Bild des Audi Sport mit derselben Grundform der Karosserie aber 300 mm mehr Radstand wirkt da harmonischer und gewohnter. Aber es ging eben nicht um Schönheit, sondern um Kurvenradien auf der Rallyestrecke.
Hat man auf den Sportsitzen Platz gefunden, wird die Ehrfurcht von einem Schmunzeln überlagert. Das kennt man noch: dünnes und großes Lenkrad, immerhin mit Leder überzogen, aber nicht einstellbar, Schieberegler für Lüftung und Heizung ein Blaupunkt-Kassettendeck in Audi-Design, eine unterschäumte Armaturenabdeckung, die aussieht wie geschwollene Elefantenhaut, der dünne Knüppel der Fünf-Gang-Handschaltung und der eingeschränkte Verstellbereich des Fahrersitzes.
Ich habe schon besser gesessen. Aber der Mann von Audis Klassikabteilung bittet um Gnade für seinen Audi Sport Quattro, der bei Eingeweihten nur auf den Namen „der Kurze“ hört. Er sei kalt und brauche Zeit, bis alles durchgewärmt sei. Dann sei das Getriebe nicht mehr ganz so hakelig. So war das damals: Im Laufe einer längeren Fahrt ging alles ein bisschen besser oder man hatte sich daran gewöhnt.
Der Motor springt sofort an. Mit weniger akustischer Sensation als vermutet, nehmen die fünf Zylinder ihre Arbeit auf und laufen klaglos rund. Das Einlegen des ersten Gangs verläuft glatter als erwartet, auch das Einkuppeln. Ich hatte ein Rennstrecken-Raubein erwartet und erlebe ein fast kultiviert sich bewegendes Coupé, das auch Stopp-and-Go nicht zum Stottern bringt.
Aber für die Innenstadt haben die Ingolstädter ihn nicht gebaut. Seine Stärke, die damals auch Walter Röhrl zur Weltmeisterschaft führte, war die Eigenschaft, langsame Strecken schneller als andere bewältigen zu können, den Pikes Peak in den USA etwa oder Passstraßen in den Alpen. Letzteres Umfeld hatte ich jetzt bei Audis Alpentour „Land of Quattro 2013“ vor der eckigen Motorhaube.
1300 Kilogramm Leergewicht, 225 kW / 306 Turbo-PS aus 2,1 Litern Hubraum, ein maximales Drehmoment von 350 Newtonmeter und der kurze Radstand – das ist eine Kombination, die Spitzkehren frisst und einem im zweiten Gang bis zur nächsten Kehre reißt, wenn man den Motor oberhalb 4000 Umdrehungen halten kann.
Ab 4000 Touren legt der Turbolader so los, dass sogar Motorradfahrer dem Kurzen Respekt zollen. Die Zweiräder kriechen zwar durch die Kehre, aber auf der kurzen Geraden danach fahren sie fast jedem Auto davon. Nicht so dem Kurzen. Der muss zwar in der Kehre in den ersten Gang runter, aber im zweiten wird er dann mit typisch rauem Fünf-Zylinder-Gebrüll zum gierigen Wolf. Unterhalb der 4000 Umdrehungen wird er zwar nicht zum Schaf, aber zu einer schnellen Sportlimousine, deren Fahrwerk zwar hart abgestimmt ist, die aber dem Fahrer nicht zu viele Stöße zumutet.
So fiel der Abschied nach einem halben Tag am großen Lenkrad, 350 Kilometern und zwei Alpenpässen schwerer als am Morgen gedacht. Vor dem Start trat ich dem Audi Sport Quattro nicht nur mit Respekt und einem Hauch von Ehrfurcht vor dem Alter, sondern auch mit ein bisschen Bammel vor der Herausforderung entgegen.
Ich hatte mich zurücknehmen, den Ur-Quattro und mich schonen wollen. Doch er wollte nicht. Er wollte sich so zeigen, wie er einst gedacht war, bevor ihn Franz Beckenbauer und andere kauften. Mein Exemplar hatte Ingolstadt wohl nie verlassen, war im Originalzustand und hatte nur wenige Kilometer auf dem Tacho. Wie sagte ein Kollege vom Audi-Klassikteam als ich den Quattro wieder voll des Lobes und der Begeisterung wieder abgab: „Der ist viel zu schade für solche Veranstaltungen.“ Ich verstehe ihn. Aber schön war’s trotzdem mit dem Kurzen im Turbotal. ampnet/Sm
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