Torque-Vectoring nennen die Fahrwerksdynamiker diesen Kniff, der die Grenzen des Machbaren beinahe schon hinter den Horizont schiebt. Denn der Drehmomentunterschied von bis zu 2000 Newtonmetern (je Rad plus 1000 oder minus 1000 Nm) unterstützt das Einlenkverhalten in die Kurve erheblich, das Lenkrad dient letztlich nur dazu, sanfte Kurskorrekturen vorzunehmen.
Der e-Tron S ist ein schwerer Brocken, allein 700 Kilogramm wiegt seine im Unterboden eingebaute, flache Batterie. Das aus 36 einzelnen Modulen bestehende Paket ist nur 34 Zentimeter hoch und 2,28 Meter mal 1,63 Meter lang und breit. Der Akku arbeitet mit einer Spannung von 397 Volt, kurzfristig kann er 585 PS (430 kW) elektrische Spitzenleistung abgeben. Seine Kapazität liegt brutto bei 95 kWh, 86,5 kWh, also 91 Prozent davon, sind nutzbar.
Die Fahrdaten sprechen Bände, in 4,5 Sekunden beschleunigt der etwa 2,6 Tonnen schwere Wagen von null auf 100 km/h. Wobei sich die Frage stellt, wie sinnvoll es ist, den ganzen lieben langen Alltag über ein solches Extragewicht mitzuschleppen, nur um gelegentlich den anderen den nicht vorhandenen Auspuff zu zeigen? Am Ende wird der elektrische Audi von seinen konventionell angetriebenen Brüdern ohnehin abgehängt – seine Höchstgeschwindigkeit ist auf 210 km/h limitiert.
Aber das E-Quattro System kann viel. 435 PS (320 kW) und 806 Nm Drehmoment erreicht das Trio. Die kräftige Kühlung erlaubt sogar ein Boost-Funktion. Bis zu acht Sekunden lang generiert der Antrieb dann 503 PS (370 kW) und 973 Nm. Das wird in Kurven besonders deutlich. Der Audi-Mann auf dem Beifahrersitz ermuntert uns: „Jetzt voll drauf aufs Gas“, sagt er genau am Kurvenscheitelpunkt. Gesagt getan, wenn auch das Fahrpedal kein Gas gibt, der Schub ist gewaltig, weil das Drehmoment – anders als bei jedem noch so sauber abgestimmten Turbomotor – sofort anliegt.
Sanft verlässt das Heck die Spur der Vorderräder, im großen Winkel angestellt schwingt sich der e-Tron S durch die Biegung. Das gelingt auch jenen, die nicht täglich damit ihr Brot verdienen, wie der schwedische Ur-Quattro-Rallyefahrer Stig Blomqvist, der bei einer Einführungsrunde das Potenzial des Elektrosportlers vorführt. Mühelos lässt sich der Fahrweg trotz der verlorengegangenen Haftung der Hinterräder bestimmen. Leichte Korrekturen am Lenkrad genügen, um die Kurve sicher zu meistern, auch wenn der Chauffeur nicht durch die Front, sondern durch die Seitenscheibe den besten Ausblick auf sie hat.
Das funktioniert allerdings nur dann, wenn der Fahrmodus „Dynamic“ gewählt wird und das elektronische Stabilitätsprogramm in der Einstellung „Sport“ bestimmte Driftwinkel zulässt. Bei „Sport plus“ ist es dann völlig abgeschaltet und der Fahrer auf sich allein gestellt. Wobei die Frage auftaucht, wo und wann der Kunde eines e-Tron S jemals diese Funktionen ausprobieren kann oder einsetzen muss. Gewiss nicht auf öffentlichen Straßen. Vermutlich ausschließlich genau hier, im Audi-Trainingszentrum, wo kein anderer gefährdet wird und die Auslaufstrecken bis zur nächsten Leitplanke groß genug sind.
Die Technik kann jedoch begeistern. Der Elektromotor, der beim e-Tron 55 allein die Hinterachse antreibt, sitzt beim S-Modell an der Vorderachse. Er leistet als Solist 169 PS (124 kW) und 204 PS (150 kW im Boost. Die beiden Elektriker im Heck sind miteinander verbunden wie siamesische Zwillinge, sitzen in einem Gehäuse um gemeinsam im geschlossenen Kühlkreislauf die gute Laune zu bewahren und bringen es zusammen auf 265 PS (196 kW) bzw. 359 PS (264 kW) im Boost.
Zur Serienausstattung des e-Tron S wird die Luftfederung mit adaptiver Dämpfung zählen, die bei schneller Fahrt die Karosserie um 26 Millimeter absenkt. Im Off-Road-Modus erhöht sie die Bodenfreiheit, die Trimmlage lässt sich um 7,6 Zentimeter variieren. Die Wahl von schlanken Kameras statt zweier Außenspiegel verbessert den Luftwiderstandsbeiwert des Audi, er liegt bei cW 0,26 statt 0,28 bei den Brudermodellen.
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