Der Kampf um die Krone in der oberen Mittelklasse tobt. Ganz vorne mit dabei die vierte Generation Audi RS6 Avant.
Der bislang stärkste Kombi (Kofferraumvolumen: 565 bis 1680 Liter) der Ingolstädter verspricht Adrenalin pur.
Schon im Stand - und vom ersten Meter an erst recht.
Unter der Haube begeistert der 4.0 TFSI einmalig in dieser Klasse. Weil hier nicht nur 800 Nm (2050 bis 4500 U/min) abgerufen werden können sondern auch ein V8-Orchester mit Gänsehaut-Faktor ausströmt.
Jeder Tritt aufs Gaspedal sprengt die Vorstellungskraft eines normalen Autofahrers - der Hochleistungs-Avant schiesst dank der perfekt agierenden Achtgang-Automatik wie am Gummiband gezogen Richtung Horizont oder mit optimalem Grip aus der nächsten Kurve. Dazu werden die Antriebskräfte im Verhältnis 40:60 über das rein mechanisch arbeitende Mittendifferenzial auf Vorder- und Hinterachse verteilt.
So kommt eine Agilität ins Spiel, die dem Fahrer das Gefühl verleiht, allen Herausforderungen gewachsen zu sein. Tempo 100 wird in 3,6 Sekunden erreicht und auf unbegrenzten Autobahn-Abschnitten steht in nur zwölf Sekunden 200 km/h auf dem Tacho. Und es geht munter weiter, mit dem optionalen Dynamikpaket plus (16'250 Fr.) läuft der RS-Kombi sogar bis 305 km/h.
Das freut den Fahrer, der sich indessen in einen perfekt ausgeformten Sportsitz schmiegt und sich am informativen RS-Head-up-Display mit spezifischen Grafikdarstellungen und G-Meter erfreut. Zudem lässt sich der Audi im Handumdrehen elektronisch an die Fähigkeiten des Fahrers anpassen. Bei voller Besetzung empfiehlt sich die Einstellung "Auto" oder "Comfort". "Dynamic" ist eher für den schnellen Ritt über kurvenreiche Passagen gedacht - oder für den Wochenendausflug auf die Rennpiste.
Beachtlich für den RS6 Avant ist auch die überaus komfortable Federung hinter den weit ausgestellten Radhäusern, die bei entspannter Landstrassenfahrt der einer normalen Business-Limousine kaum nachsteht. Das RS-Sportfahrwerk plus mit Dynamic Ride Control (1630 Fr.) arbeitet mit Stahlfedern und dreistufig einstellbaren Dämpfern, die über diagonale Ölleitungen und ein Zentralventil miteinander verbunden sind. Bei schneller Kurvenfahrt wirken die Ventile auf die Ölströmung am Dämpfer des eingefederten kurvenäusseren Vorderrads. Sie verstärken die Abstützung und reduzieren Nick- und Wankbewegungen.
Passend dazu die Dynamik-Allradlenkung. Sie kombiniert die Dynamiklenkung an der Vorderachse, die ein stufenloses Wellgetriebe nutzt, mit einer separaten Hinterachslenkung per Spindeltrieb und Spurstangen. Bei niedriger Geschwindigkeit lenken die Hinterräder bis zu fünf Grad gegensinnig zu den Vorderrädern. Dadurch verkleinert sich der Wendekreis um bis zu einen Meter, im Stadtverkehr und in engen Kehren fährt sich der RS6 Avant so noch agiler.
Atemberaubend wie die Drehfreude des Motors ist die Verzögerung. Auch wenn der RS6 die Physik auszutricksen scheint, hat auch er seine Grenzen. Dann hilft oft nur noch der beherzte Tritt aufs Bremspedal, und die RS-Keramikbremse mit 440-Millimeter-Scheiben vorne lauft hinter den optionalen 22-Zoll-Rädern (3000 Fr.) zu Hochtouren auf. Wenn es sein muss, bringen sie den über 2,15 Tonnen schweren Audi in Windeseile zum Stillstand.
Das schafft übrigens auch der Tank. Trotz der Zylinderabschaltung sowie des Mildhybrid-Systems - bei leichten Verzögerungen können bis zu 12 kW Leistung zurückgewonnen und in einem separaten Lithium-Ionen-Akku gespeichert werden - reichen 73 Liter (Norm: 11,5 Liter) bei Autobahn-Richtgeschwindigkeit zwar für über 630 Kilometer, aber beim gebotenen Fahrspass werden letztlich über 13 Liter auf 100 Kilometer in die Brennräume injiziert.
Fazit: Mit dem ab 149'500 Franken erhältlichen RS6 Avant legt Audi die Messlatte extrem hoch. Ein Design, das man nicht vergisst und darunter wurde wirklich alles reingepackt, was im Technik-Regal gut, teuer und vor allem neu ist - besser kann man es in dieser Fahrzeugklasse nicht machen! atn/war
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