Donnerstag, 11. Februar 2021 Audi e-Tron GT: Der Taycan aus den Böllinger Höfen
Audi RS e-Tron GT. Foto: Auto-Medienportal.Net/Audi
Der e-Tron GT ist für Audi derzeit eines der wichtigsten Autos überhaupt. Er markiert den angestrebten Wechsel zur Elektromobilität, in den bereits Milliarden von Euro gesteckt wurden. Mit seinen extrem hohen Fahrleistungen und seiner ästhetischen Formgebung eignet er sich zur Markenikone.
Als Audi-Chefdesigner Marc Lichte den Porsche Taycan bei einer internen Präsentation zum ersten Mal gesehen hat, war er begeistert. Und bemühte sich darum, eine eigene Variante der sogenannten J1-Architektur entwickeln zu dürfen. Porsche und die Spitzenebenen des Konzerns waren einverstanden – und Lichte machte sich ans Werk. Herausgekommen ist ein völlig eigenständiges Fahrzeug, genauso faszinierend wie der Taycan, jedoch mit einer individuellen Formensprache. Das einzige sichtbare gemeinsame Teil ist die Windschutzscheibe, und innen gibt es ein kleines Verkleidungsteil außerhalb des normalen Sichtbereichs.
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Die Studie, die im Dezember 2018 den Journalisten präsentiert worden war, nutzte bereits die endgültigen Formen des Serienmodells. Mit zwei Unterschieden: Das Serienmodell besitzt reguläre Türgriffe, und der angedeutete, nicht-funktionale Luftauslass auf der Fronthaube ist verschwunden. Der Designprozess hob sich vom üblichen Vorgehen ab: Audi entschied sich praktisch auf Anhieb für den Entwurf des Exterieur-Designers Parys Cybulski und verzichtete auf Alternativvorschläge aus den anderen Designbüros. Das Interieur wurde von Markus Däsch entworfen. Mit den komplexen Formen begaben sich die Entwickler und Produktionsspezialisten auf bislang unkartiertes Territorium. Es dauerte beispielsweise viele Wochen, bis die hintere Flanke in Aluminium ausgeformt war und stabil hergestellt werden konnte.
Das Interieur des Audi e-Tron ist „nachhaltig“, und zwar in allen Ausstattungsvarianten. Leder ist ohnehin ein natürlicher Werkstoff, und bei der Mikrofaser-Variante entschied sich Audi dafür, Alcantara durch erheblich umweltfreundlicheres Dinamica-Material zu ersetzen.
Der e-Tron GT kann vielfach konfiguriert und angepasst werden. So gibt es drei unterschiedliche Bremsanlagen bis hin zur Kohlefaser-Keramik-Bremse. Die Felgengrößen liegen zwischen 19 und 21 Zoll, in den unterschiedlichsten stilistischen Ausprägungen, und es gibt gegen Aufpreis eine Hinterachs-Lenkung. Im Gegensatz zum SUV e-Tron gibt es beim keine kamerabasierten Außenspiegel. Sie sind in der Elektronik-Plattform nicht vorgesehen, aber er hat sie auch nicht nötig: Die aufgeständerten Spiegel wirken sportlich und passen zur Linienführung. Bei anderen Baureihen werden die elektronischen Spiegel wieder auftauchen.
Nachdem zahlreiche Hersteller den horizontalen Leuchtstreifen zwischen den Rückleuchten kopiert haben, hat Audi sich entschieden, das stilistische Thema aufzubrechen und die Leuchten an den Enden mit vertikalen Elementen markant zu akzentuieren. Das hat so kein anderer Hersteller.
Die stilistischen Unterschiede zwischen e-Tron GT (350 kW/476 PS) und RS e-tron GT (440 kW/598 PS) sind minimal, und zudem können praktisch alle RS-Elemente auch für das Einstiegsmodell bestellt werden. Nie zuvor lagen Basismodell und RS-Version so eng beieinander. Audi erklärt, es wäre keine gute Idee gewesen, bei einem so gelungenen Entwurf ein Downgrade für die Basis vorzunehmen. Beide laden zum Vergleich mit den Schwestermodellen Porsche Taycan 4S und Taycan Turbo ein. Die Audi-Modelle regeln etwas niedriger ab, bei 245 km/h und 250 km/h anstatt 250 km/h und 260 km/h. Dafür sind sie mit einer höheren Reichweite zertifiziert. Die Preise liegen etwas niedriger als bei Porsche. Und das Angebot ist reduziert – es gibt kein Pendant für den Einstiegs-Taycan mit Heckantrieb oder den Taycan Turbo S, der unter eng definierten Bedingungen nochmals einen Leistungsschub liefert.
Der e-Tron GT wird in den Böllinger Höfen in Heilbronn auf der gleichen Produktionsstraße wie der R8 gebaut – in 36 statt 16 definierten Schritten. Jedes fertiggestellte Auto wird vor der Auslieferung 40 Kilometer lang auf öffentlichen Straßen getestet.
Die auffällige Folierung der Prototypen wird möglicherweise auch Endkunden angeboten. Audi arbeitet an einer technischen Lösung für den Look, der bei potentiellen Kunden ausgesprochen gut angekommen ist. Neben dem klassischen, nunmehr 20 Jahre alten Daytonagrau metallic, das die Flächen besonders gut modelliert, wird Taktikgrün metallic zur „Kommunikationsfarbe“ des e-Tron GT. Die Farbe ändert sich mit dem Lichteinfall und ist inspiriert von einer klassischen Porsche-Farbe der 70er-Jahre.
Marc Lichte ist überzeugt: Der e-Tron GT ist das vielleicht wichtigste Auto, das Audi bislang gebaut hat. Und ein persönliches Highlight seiner Karriere, in der er bereits weit über 100 Autos mit auf die Straße gebracht hat. (ampnet/jm)
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