Es ist so einladend, jetzt von „Waffenschein“ auf „007“ zu kommen, doch dies ist der Artikel über einen Aston Martin, der endlich mit der sich hartnäckig haltenden Fehlinformation aufräumt, James Bond und die englische Traditionsmarke gehörten zusammen wie Max und Moritz, Pech und Schwefel oder Trump und Fake News. Nach dem Wortlaut des ersten Agenten-Romans von Krimi-Autor Ian Fleming fuhr sein Held James Bond zwar tatsächlich ein britisches Edel-Gefährt, doch es war ein Bentley.
Was der Faszination, die von den elegant gezeichneten Acht- und Zwölfzylinder-Boliden mit dem Schwingen-Emblem ausgeht, keinen Abbruch tut. Der DB 11 AMR ist so ein Zwölfender, und obwohl er nicht weniger englisch ist als ein Five-o-clock-Tea, kann er seine deutschen Gene nicht verleugnen. Praktisch so ähnlich wie der britische Hof seine Bande zu den Monarchen des Königreichs Hannover. Das 5,2-Liter-Triebwerk stammt aus Köln, wird dort in Handarbeit zusammengeschraubt und schließlich vom firmeneigenen Performance-Center am Nürburgring auf seinen Einsatz in der Praxis vorbereitet. In der Eifel wird das Qualitätssiegel „AMR“ vergeben, was für Aston Martin Racing steht.
Dass der Wagen dank seiner nunmehr 639 PS (470 kW) auf dem Rundkurs keine schlechte Figur abgäbe, steht außer Frage, doch auf die dort übliche wuchtige Flügel-, Schweller-, Splitter- und Diffusor-Architektur wird verzichtet. Aerodynamische Hilfsmittel, vor allem, um ausreichend Anpressdruck für die Hinterachse zu generieren, sind selbstredend vorhanden, nur eben dezent in die 4,75 Meter messende Karosse integriert.
Man könnte dem Coupé sogar eine Form von Understatement zubilligen, wäre da nicht die fette Soundkulisse, die der Turbo-befeuerte 48-Ventiler über das Edelstahl-Abgassystem ins Freie entlässt. Als Unterscheidungsmerkmal zum weltweit mehr als 4200-mal verkauften DB- 11-Erstling bringt die AMR-Version abgedunkelte Applikationen an Front- und Heckleuchten, schwarzen Frontgrill und Endrohre von gleicher Farbe sowie eine Reihe von Karbonteilen mit. „Mit feinen aber wirkungsvollen Verbesserungen haben wir das Design auf den neuesten Stand gebracht, ohne dass der bisherige DB11 deshalb alt aussehen würde“, kommentiert Firmenchef Andy Palmer die Retuschen.
Wem es an optischer Aggressivität fehlt, der sollte sich nicht verleiten lassen, den DB 11 AMR für einen Softie zu halten. Finden die mindestens 295 Millimeter breiten Reifen an der Hinterachse genügend Grip, drückt es mit der Urgewalt von 700 Newtonmetern nach vorn. Da die Acht-Gang-Automatik – sie sitzt aus Gründen der Achslast-Balance vor den Hinterrädern – mindestens genauso flink die Übersetzungen durchzählen kann wie ein geübter Motorsport-Pilot, fällt nach weniger als vier Sekunden die 100 km/h-Marke. Die bewährte ZF-Schaltbox wird bei Aston Martin so gesteuert, dass der Fahrer bei Benutzung der Schaltwippen an der Lenksäule nicht wieder selbstständig aus der Verantwortung entlassen wird und das Getriebe in den Automatik-Modus zurückkehrt. Es bedarf eines Tastendrucks an der Mittelkonsole, um den „D“-Betrieb erneut zu aktivieren.
Der Wunsch, die erreichbare Höchstgeschwindigkeit im Alltag zu erleben, wird in den meisten Fällen unerfüllt bleiben. Das liegt zum einen an Tempobeschränkungen oder den Verkehrsbedingungen auf deutschen Autobahnen, zum anderen an ihrem Wert selbst: Mit 334 km/h war der DB 11 AMR bis zum Erscheinen des Modells DBS Superleggera das schnellste Erzeugnis der eiligen Engländer. Im Falle dieser Testfahrt mussten sich die Insassen mit 260 km/h zufriedengeben, wobei die Distanz der Nadel zum roten Bereich des Drehzahlmessers (7200 U/min) eine Ahnung vom nicht abgerufenen Leistungspotenzial gab.
Für die unvermeidliche soziale Auslese sorgt ein Preis von rund 220 000 Euro. Dass die Aufmerksamkeit der Wohlhabenden trotzdem kaum ungeteilt ist, kann man Aston Martin nicht anlasten: Selten haben die Besitzer nur eine solcher Nobelkarossen in der Garage. (ampnet/afb)
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