Der Anruf aus Montreal kommt überraschend für die Geschäftsführung von Alfa Romeo. Die Organisatoren der Weltausstellung 1967 in der kanadischen Stadt wollen, passend zur zukunftsorientierten Auslegung der Expo, das Thema „Der Mensch und seine Welt“ in unterschiedlichsten Bereichen beleuchten. Einer davon widmet sich unter dem Titel „Man the Producer“ industriell gefertigten Produkten, darunter auch dem Automobil. Die Veranstalter laden Alfa Romeo ein, stellvertretend für die gesamte Branche ein entsprechend beeindruckendes Konzeptfahrzeug zur Verfügung zu stellen.
Alfa Romeo beauftragt das Designstudio Bertone damit, dieses Thema umzusetzen. In der renommierten Carrozzeria geht gerade der Stern von Marcello Gandini auf.
Mit nur 4,22 Metern Länge ist das Fahrzeug äußerst kompakt, hinter Fahrer und Beifahrer bleibt gerade Platz für zwei Notsitze. Markante Lufteinlässe hinter den Türen und eine große, gläserne Heckklappe deuten an, welches Antriebskonzept sich Gandini vorstellt: einen Mittelmotor. Doch so weit ist es noch nicht. Aus Zeitgründen verwendet Alfa Romeo für die die beiden schließlich nach Kanada gesendeten Ausstellungsfahrzeuge* die Bodengruppe des Modells Giulia inklusive des vorn platzierten Motors. Damit sind die Showcars immerhin roll- und sogar fahrfähig.
Tatsächlich bekommt die Entwicklungsabteilung den Auftrag, Projekt „Montreal“ in die Tat umzusetzen. Mit Blick auf die Produktionskosten erarbeiten die Ingenieure einen Kompromiss. Das Chassis bleibt weitgehend auf dem bewährten Stand der Alfa Romeo Giulia. Marcello Gandinis spektakuläres Karosseriedesign wird ebenfalls nur in den Details geändert, in denen das Konzeptfahrzeug mit den Anforderungen von Serienfertigung oder Straßenzulassung nicht zu vereinbaren ist. So bleibt der – leicht geänderte – Grill über den Scheinwerfern zwar prinzipiell erhalten. Beim Einschalten des Lichts werden die beiden Lamellen aber mechanisch nach unten geklappt und geben die vier Lampen komplett frei. Die von Designer Gandini für eine Mittelmotor-Konstruktion gedachten Luftschlitze in den Flanken werden übernommen, dienen jetzt allerdings der Entlüftung des Cockpits. Dort nehmen Fahrer und Beifahrer auf komfortablen Sitzen Platz. Eine Vielzahl von Instrumenten, angeordnet zu einem futuristisch anmutenden Ensemble, informiert über den Betriebszustand des Fahrzeugs.
Beim Antrieb, dem Herz jedes Alfa Romeo, gehen die Ingenieure dagegen aufs Ganze. Um der rassigen Optik ebenbürtige Fahrleistungen zu erreichen, entwickeln sie eine straßentaugliche Version des V8-Motors aus dem Supersportwagen Tipo 33. Lebhafte und für die Zeit beeindruckende 147 kW (200 PS), die bei 6.400 Touren anliegen, leistet der V8 in Serienversion. Auch die Maximaldrehzahl von 7.000 und der kernige Sound verraten die aus dem Rennsport stammenden Gene des Motors.
Für die Übertragung der Motorleistung auf die mit einem Sperrdifferenzial versehene Hinterachse ist ein Fünfgang-Sportgetriebe des deutschen Herstellers ZF zuständig. Unverwechselbares Merkmal neben den knackig kurzen Schaltwegen: der links hinten liegende erste Gang.
Im Frühjahr 1970 feiert der Alfa Romeo Montreal auf dem Internationalen Automobilsalon in Genf Publikumspremiere. Die Fachpresse bescheinigt dem Coupé das überlegene Fahrverhalten eines Gran Turismo für die Langstrecke. Dafür sprechen nicht nur die Höchstgeschwindigkeit von rund 220 km/h und das komfortable Fahrwerk. Zeitgenössische Messungen ergeben einen Wert von 7,6 Sekunden für die Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100.
Gefertigt wird der Alfa Romeo Montreal in Kooperation zwischen dem Werk Arese und der Carrozzeria Bertone. Durch den hohen Preis ist das Coupé nie in Gefahr, zur Massenware zu verkommen. Bis 1977 werden nur 3.925 Exemplare gebaut.
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