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Freitag, 1. Mai 2009 Wenn die Einsicht fehlt

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Als vor etwa sechs Jahren eine amerikanische Journalistin ihr Buch "Das Ende von Detroit" veröffentlichte, erwog das General Motors-Management, sie zu verklagen. Sie hatte in ihrem Buch geschrieben, dass GM bald durch Toyota als grösster Autohersteller abgelöst werden würde und akribisch viele Managementfehler der amerikanischen Autohersteller aufgelistet. Schon während ihrer Recherchen waren ihr Gespräche und Interviews bei GM verweigert worden. Stattdessen hatte es das GM-Management für richtig gehalten, ihr mit hohen Schadenersatzforderungen zu drohen. Heute ist bewiesen, dass sie ein völlig realistisches Bild der Lage auf dem amerikanischen Automobilmarkt im Allgemeinen und bei General Motors im Speziellen gezeichnet hatte. Nur darauf wäre sie damals nicht gekommen: Dass sich Volkswagen anschicken würde, Toyota als weltgrössten Hersteller zu überholen. Das nur nebenbei.

 

Bei GM sitzen im Wesentlichen noch immer die gleichen Manager auf ihren Stühlen und erinnern sich wehmütig an jene Zeiten, als sie den Journalisten ihre Wirklichkeit in die Notizblöcke diktieren konnten. So auch GM-Chef Fritz Henderson, der Rick Wagoners Marschrichtung als dessen Vize nicht nur kritiklos unterstützt, sondern auch selbst verinnerlicht hatte. Henderson gibt sich immerhin einsichtig und sagt heute: "Ich konzentriere mich für GM mehr auf Ergebnisse als darauf, das grösste Unternehmen zu sein." Was lehrt uns das Beispiel von "Government Motors", wie amerikanische Journalisten GM schon spöttisch nennen? Dass die Krise nicht an allem schuld ist und sich Managementfehler in ihrer Wirkung nicht nur summieren, sondern verhängnisvoll potenzieren.
Die Verantwortlichen in der Autoindustrie müssen auch in der Krise an die Zeit danach denken. Wer das für selbstverständlich hält, könnte falsch liegen. Denn wer in diesen Tagen mit führenden Managern redet, hört kaum ein Wort über die Zeit danach. Das Managen und die Belastungen der Krise überlagern alles. Und manchem Manager scheint die Krise gerade gut dafür geeignet zu sein, die Probleme der Gegenwart mit ihr zu begründen. Dabei haben viele der heutigen Probleme ihre Wurzeln in der Zeit lange vor der Krise. Und manche Probleme liegen auch darin begründet, dass die Selbsterkenntnis, Fehler gemacht zu haben oder zu machen, nicht gerade zu den herausragenden Eigenschaften auch deutscher Manager gehört.
Auch bei Mercedes-Benz gab und gibt man sich selbstsicher und könnte sich nie vorstellen, durch eigene Fehler in wirklich ernste Schwierigkeiten zu kommen. Zwar ist Dieter Zetsche gerade das milliardenschwere Verlustobjekt Chrysler-Restbeteiligung durch weitere erhebliche Zuzahlungen losgeworden, aber dennoch führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Daimler seinen Nimbus verloren hat, wie Spiegel-online schreibt. Und aufmerksame Beobachter werden sich fragen, warum Audi im selben ersten Quartal 2009 immer noch Gewinn macht und Daimler verheerende Verluste (1,3 Mrd. Euro) melden muss. Und das, obwohl bei Mercedes-Benz über die Ingolstädter eigentlich immer nur überheblich gelächelt wurde.
Dieter Zetsche muss höllisch aufpassen, dass seine zweifellos guten Produkte auch so wahrgenommen werden. Mercedes-Kunden beklagen sich noch immer über überhebliche Verkäufer, schlechten Service in der Werkstatt und Qualitätsmängel. Dass die Loyalitätsraten bei Mercedes-Benz alles andere als zufriedenstellend sind und jedes Jahr neue Tiefststände erreichen, darf die Vertriebsverantwortlichen nicht ruhen lassen. Vielleicht war es doch ein Fehler, einen gelernten Nutzfahrzeugmann in die Führung des Pkw-Vertriebs einzusetzen. Zwar hat die Marketingkommunikation mit dem erfolgreichen Smart-Chef Anders Sundt Jensen nun endlich eine kompetente Führungspersönlichkeit bekommen, die die Marke Mercedes-Benz wirklich versteht und Markenführung beherrscht, aber es braucht viel Zeit und noch mehr diplomatisches Geschick, die Fehler der Vergangenheit zu reparieren. Wer sagt schon gern seinem Boss, was er in den letzten Jahren alles falsch gemacht hat?
Das Fatale bei Mercedes ist wirklich: Die Produkte sind da, aber die Begehrlichkeit ist nicht mehr jene, die sie noch vor vier, fünf Jahren war. Es muss schmerzen, dass die belebende Wirkung der Abwrackprämie an Mercedes fast völlig vorbeigegangen ist. Das ist eben nicht nur eine Frage des Preises, wie Daimler-Manager glauben machen wollen. Die A- und B-Klasse wurde kommunikativ einfach zu stiefmütterlich oder falsch behandelt, sie erscheint zumal für junge Kunden nicht attraktiv genug. Da hilft es auch nicht, ein Sondermodell nach dem anderen aufzubieten, wenn die Kommunikation insgesamt keine Kontinuität und Durchschlagskraft erkennen lässt.
Eines haben bislang nur wenige Manager der Autoindustrie erkannt: Die Krise ist auch eine Chance, aus den einmal gemachten Fehlern zu lernen und sie nicht zu wiederholen. (ar)

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