Die Verordnung aus Brüssel richtet sich gegen die bisherige Benachteiligung solcher Betriebe, denen der Zugang zu technischen Informationen der Automarken erschwert oder auch ganz verweigert wurde. Damit sahen sie sich nur bedingt zu anstehenden Reparatur- und Servicearbeiten in der Lage. Hinzu kam, dass Automobilhersteller beim Kauf eines Neuwagens die Gewährleistung davon abhängig machten, ob die Wartung des Fahrzeugs einer Vertragswerkstatt überlassen oder bei anstehenden Reparaturen „Original“-Ersatzteile verwendet wurden. Herausgestellt haben soll sich in nicht wenigen Fällen, dass die von freien Werkstätten verwendeten preiswerteren Ersatzteile aus derselben Quelle wie die „Original“-Teile stammten, die lediglich in einer entsprechend werbewirksamen Verpackung auf den Markt kamen.
Allgemeine Erfahrung von Fahrzeugbesitzern ist, dass Vertragswerkstätten vor allem beim Einbau von Ersatzteilen Rechnungen präsentieren, die erheblich ins Geld gehen. „Abgesehen vom Eigenheim ist das Auto die teuerste Sache, die Bürger besitzen“, anerkannte Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia jetzt in Brüssel. Deshalb sei es wichtig, hier die Wettbewerbsregeln richtig hinzukriegen. Die Kosten für Reparaturen seien in den vergangenen Jahren stark gestiegen und machten inzwischen 40 Prozent der Gesamtkosten der Fahrzeughaltung aus.
Die neue EU-Verordnung will die Position freier Kfz-Werkstätten stärken. Kfz-Hersteller können von nun an lediglich darauf bestehen, dass die Dienste eines Vertragspartners in Anspruch genommen werden, wenn Reparaturen anstehen, deren Kosten auf dem Garantieweg vom Hersteller übernommen werden müssen.
Die „Financial Times Deutschland“ verweist auf 38.300 Autohäuser und Werkstätten in Deutschland, die nach eigenen Angaben 462.000 Mitarbeiter beschäftigen. Davon sind 18.900 Betriebe an einen Hersteller gebunden. Mehr als die Hälfte der Kfz-Betriebe in Deutschland wird demnach von den neuen Regeln profitieren. In diesem Zusammenhang zitiert „FTD“ den Chef des Bundesverbandes freier Kfz-Händler (BVFK), Ansgar Klein. Der Verband vertritt 884 unabhängige Unternehmen: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein Grund zum Jubeln.“ Klein sehe die Gefahr, dass die Hersteller mit subtileren Mitteln vorgehen, um die neuen EU-Regeln zu umgehen. Beispielsweise seien für manche Reparaturen Spezialwerkzeuge notwendig, die sich kleine Werkstätten nicht leisten könnten.
Der VDA erwartet von der Neuregelung „keine grundlegende Strukturveränderungen zulasten des Kfz Handels“, und der ZDK sieht „weder eine Stärkung unabhängiger Reparaturbetriebe noch Vorteile für den Werkstattkunden durch die neuen Wettbewerbsregeln, begrüßt aber die neue Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO). Die neuen Regeln, von denen die EU erwartet, dass sie eine neue Wettbewerbssituation schaffen, die Preise sinken lassen und den Service verbessern, gelten bis zum 31. Mai 2023. (auto-reporter.net/wr)
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