Montag, 19. September 2011 Kooperation Daimler/Renault – Aus Fehlern nichts gelernt?
Mercedes Benz Concept F125. Foto: UnitedPictures
Die automobile Welt ändert sich jeden Tag. Mit der Ankündigung von Nissan-Renault-Chef Carlos Ghosn, Infiniti mit Mercedes-Motoren auszustatten, um im Compact-Segment zu reüssieren, ist die Welt der Kooperationen wieder ein wenig komplexer geworden. Ob sie dadurch besser wird, muss der Erfolg beim Kunden und bei den Kooperationspartnern zeigen. Oder auch nicht. „Die Autofirmen machen sich zunehmend selbst Konkurrenz, wenn sie zulassen, dass der Wettbewerber und Kooperationspartner baugleiche Fahrzeuge auf den Markt bringt“, sagt ein Marketing-Experte. Da wird bei den Bayerischen Motoren Werken (!) darüber nachgedacht, noch mehr Motoren bei Peugeot einzukaufen und die eigene Motorenkompetenz ein wenig ad absurdum zu führen, da spielt Fiat- und Chrysler-Chef Sergio Marchionne auf der Klaviatur des Badge-Marketing, um mit extremer Gleichteilephilosophie die Kosten aller seiner Marken von Fiat über Lancia bis zu Jeep und Chrysler zu senken.
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Der Kostendruck zwingt die Hersteller zu abenteuerlichen Strategien. Trotzdem wird immer wieder betont, dass eine Verwässerung von Marken dabei ausgeschlossen bleiben wird.
Das mag wohl die Absicht sein. Aber: Es ist nicht risikofrei, was Automanager auf dem Feld der Zusammenarbeit und Kooperationen organisieren, obwohl sie damit nicht nur einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben. Als smart mit dem viersitzigen forfour kam, war der baugleiche Mitsubishi Colt ein erfolgreicherer Konkurrent, heimste sogar das Goldene Lenkrad ein und verwies den smart forfour nicht nur in Sachen Stückzahlen auf die Plätze. Der Kleinstwagen C1 von Citroen ist zu mehr als 90 Prozent baugleich mit dem Toyota Aygo und dem Peugeot 107. Auf dem Markt kämpfen die drei mit harten Bandagen gegeneinander. Nicht nur zum Vorteil des Erfinders dieses Modells. Als Hyundai für eine Mittelklasse-Limousine Motoren von Mercedes bezog, warb sie in Korea massiv mit dem Motor der Luxusmarke aus Deutschland. Sicher hat das nicht dazu geführt, dass Mercedes-Benz in Südkorea mehr E-Klassen verkauft hat.
Jetzt hat Nissan-Chef Ghosn für Infiniti auf der IAA angekündigt, dass man ein Fahrzeug in der Golf-Klasse auf einer Mercedes-Plattform (A- und B-Klasse) bauen will. Diese Ankündigung hat nicht nur Daimler-Manager überrascht, denn sie bedeutet eine deutliche Erweiterung der bisherigen Kooperation zwischen Daimler und Renault-Nissan. Wo Mercedes seine A-Klasse positioniert, macht sich künftig also auch der Partner Renault-Nissan mit einem Konkurrenzmodell breit. Dass Renault sein „Partner-Modell“ wesentlich billiger anbieten wird, könnte in dem preissensiblen Segment auch dazu führen, dass Kunden aus Kostengründen auf den Mercedes-Stern verzichten, wenn sie formal und inhaltlich fast das gleiche Fahrzeug wesentlich günstiger bekommen.
Sollte es wirklich so kommen, dann werden sich einige bei Mercedes fragen, warum ihre Kreativität letztlich auch einem Wettbewerber zugutekommen soll. Ein Entwickler auf der IAA: „Da machen wir uns ganz eindeutig mal wieder selbst Konkurrenz.“
Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht hier allerdings keine Gefahr. Die Kunden von Infiniti und Mercedes hätten ganz unterschiedliche Ansprüche. Man werde nicht die Fehler der Kooperation mit Chrysler wiederholen und eine Menge Geld durch gemeinsamen Teileeinkauf sparen. Genau das war auch damals zu hören, als Daimler-Chef Schrempp die Aktionäre von der Verschmelzung mit Chrysler überzeugen musste. Die Kooperation endete im finanziellen Desaster und wurde von Zetsche selbst wieder aufgelöst, obwohl er sie als Chrysler-Chef zuvor sinngemäß immer wieder als großartig bezeichnet hatte. Bei den Daimler-Mitarbeitern sitzt das Misstrauen in solche Kooperationen seitdem tief. Ein ausländischer Vertriebsmanager, der nicht genannt werden will: „Es fängt immer ganz klein an. Erst wollten wir mit Renault nur im Kleinstwagensegment kooperieren, jetzt geht es weiter mit der Luxusmarke Infiniti, die ein eindeutiger Konkurrent für unsere E- und S-Klasse ist. Wo soll das enden? Gibt es bald auch eine S-Klasse mit Infiniti-Logo, weil die Kunden ja so unterschiedliche Geschmäcker haben, wie unser Chef meint?“ Das Thema, von Zetsche und Ghosn am Mittwoch in Frankfurt verkündet, erregt sichtlich die Gemüter.
Auch die nächste Generation des viertürigen smart (kommt 2014) entsteht in einer Kooperation mit Renault. Beide Fahrzeuge basieren dann auf der Architektur des Twingo. Der für die USA in Erwägung gezogene smart forfour aus mexikanischer Produktion von Nissan ist verworfen worden, weil der ehemalige US-smart-Importeur Penske den smart-Vertrieb an Mercedes zurückgegeben hatte. smart und Renault entwickeln auch gemeinsam an einer neuen Generation elektrischer smart-Modelle.
Die kritischen Stimmen bei Daimler sehen inzwischen in der immer tiefer gehenden Allianz mit Renault-Nissan eine „Wiederholung alter Fehler“. Genau diese wolle man nicht machen, betonten die Firmenchefs. WAB/Groschupf/Auto-Reporter
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