Sonntag, 11. Mai 2008 Gastkommentar: Gerechtigkeitslücke
Kaum machten die finalen Überlegungen zur CO2-basierten Kraftfahrzeugsteuer in Berlin die Runde, war die Entrüstung gross. Tatsächlich wurden in diesen bekannt gewordenen Planungen jene Pessimisten bestätigt, die eine neue Teuerungswelle auf die Autofahrer zukommen sehen. Denn immer wenn die Politik davon redet, Steuern "aufkommensneutral" ändern zu wollen, ist Vorsicht geboten. Dahinter verbergen sich meistens, nein, eigentlich immer, drastische Verteuerungen für einen grossen Teil der Betroffenen. Die CO2-Steuer macht da keine Ausnahme. Die Pläne, ein Gemeinschaftswerk aus Finanz-, Wirtschafts- und Umweltministerium, lassen nichts Gutes ahnen.
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Weil das Ritual immer das gleiche ist, schlug die "Bild-Zeitung" Alarm: Die CO2-basierte Kfz-Steuer würde Autofahren nicht billiger machen, sondern viel teurer. Und weil Politiker nicht nur in Bayern, sondern auch in Berlin schon auf die nächsten Wahlen starren, knickte Berlin ob des vehementen Aufschreis in den Medien über Nacht ein: Die neue Kfz-Steuer werde nicht für den Altbestand gelten, nur Neuzulassungen ab 1.1.2009 würden nach CO2-Ausstoss besteuert. Populistisch wie immer diente sich die Politikerkaste den Menschen an, die sich "kein neues Auto leisten können". Und wie meistens haben die Politiker auch dieses Mal weder die Steuer durchdacht noch ihr Einknicken vor dem Altbestand zu Ende gerechnet. Denn eine solche Regelung, Altfahrzeuge nach dem alten System zu besteuern, könnte in vielen Fällen bedeuten, dass ein Fahrzeug neuester Technik mit vielleicht saubereren Abgasen und weniger Verbrauch ab 1.1.2009 deutlich mehr an Steuern kostet als der Vorgänger mit Zulassung vor dem 1.1.2009. Eine klare "Gerechtigkeitslücke", um es in der Sprache der Politik auszudrücken. Euro-6-Fahrzeuge könnten also mehr Steuern kosten als ihre Vorvorgänger mit Euro-3-Einstufung. Dabei sollte die CO2-basierte Kfz-Steuer doch dazu führen, dass die Menschen zügig dazu bewogen werden, sich ein neues, aber effizienteres und sparsameres Auto anzuschaffen. Wie gelingt es Politikern nur immer wieder, an den eigenen Zielsetzungen vorbei Politik zu machen? Dass jetzt einige Politiker sagen, diese Folgen hätten sie bei dem Zugeständnis gegenüber dem Altbestand nicht bedacht, ist zwar ehrlich, zeugt aber auch von einer dramatischen Oberflächlichkeit. Ist es volkswirtschaftlich wünschenswert, dass das durchschnittliche Alter des Autobestands weiter steigt? Wäre es nicht sinnvoller, auch auf diesem Wege den wirtschaftlichen Kreislauf anzuregen und den Absatz neuer, technologisch modernerer Fahrzeuge zu forcieren? Wir dürfen gespannt sein, ob die Berliner Politiker sich irgendwann einmal auf ein klares und zu Ende gedachtes Konzept zur CO2-Kfz-Steuer einigen können. Bislang ist davon nichts zu sehen. Wie schnell politische Entscheidungen gehen können, ist eigentlich nur dann zu sehen, wenn es um Diätenerhöhungen geht. Und noch nie hat man in der Diskussion um die angestrebte erneute Diätenerhöhung in Berlin die Forderung nach einer "Gegenfinanzierung" gehört. Eigentlich nur ein anderes Wort für das System Linke-Tasche-rechte-Tasche. Es gibt keine Steuersenkung mit Gegenfinanzierung, wie sie jetzt der bayerische Finanzminister Huber in Sachen Pendlerpauschale wieder untermauert hat. Apropos Gegenfinanzierung: Das ist so, als wenn ein Vater seinem Sohn das Taschengeld erhöht und zur Gegenfinanzierung fordert, dass der Junge künftig Miete zu zahlen hat. (ar/PS/Hans-U. Wiersch)
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