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Mittwoch, 23. September 2015 Autos in Verruf: Amerika vergisst langsam

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Chevrolet Corvair (1959–1964).  Foto:Auto-Medienportal.Net/ChevroletChevrolet Corvair (1959–1964). Foto:Auto-Medienportal.Net/Chevrolet

Amerika ist das Land der Offenheit, der Chancen und des Optimismus. Wer hier mit einer neuen Idee und einem neuen Produkt landet, dem stehen zunächst einmal alle Türen offen; das Vertrauen scheint grenzenlos. Doch sobald die Amerikaner – bzw. ihre medialen Meinungsführer – dieses Vertrauen missbraucht sehen, schwenkt das Pendel in die andere Richtung. Diese Erfahrung konnte der VW-Konzern bereits mehrfach sammeln; gut möglich, dass sich die Marke in den USA vom aktuellen Skandal lange nicht mehr erholen wird.

Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, wie gerechtfertigt die Zweifel sind: Ist der Ruf erst einmal angekratzt, zuckt der amerikanische Konsument empfindlich zurück und übt sich jahrelang in größter Kaufzurückhaltung.

 

Ein frühes Beispiel dafür ist die damals revolutionäre Limousine Chevrolet Corvair, die 1959 antrat, mit ihrem Heckmotor-Konzept das Segment der Kompaktwagen zu revolutionieren. Das reißerische Buch „Unsafe at any speed“ („Unsicher bei jedem Tempo“), zu Papier gebracht vom Verbraucheranwalt Ralph Nader und 1965 erschienen, besiegelte das Schicksal des agilen Kompaktwagens, obwohl die Fachpresse vom Corvair fast durchweg begeistert war. Die zweite Modellgeneration stürzte im Verkauf ab, vier Jahre später war Schluss: GM gab das Heckmotor-Konzept auf.

Audi im Visier

700 Unfälle mit sechs Todesopfern habe der Audi 5000, die US-amerikanische Version des Audi 100/200, auf dem Gewissen – so hieß es 1987 in einer Kampagne, die mit einer Reportage der beliebten Sendung „60 Minutes“ losgetreten wurde. Auf mysteriöse Weise hätten sich die Autos mit fatalen Konsequenzen in Bewegung gesetzt. Audi nahm den Kampf auf und bekam letztlich recht: Es waren die eigenen Kunden, die das falsche Pedal traten. Die Verkaufszahlen stürzten dennoch binnen weniger Jahre von knapp 75 000 auf gerade einmal 12 000 ab – und verharrten über Jahre hinweg auf niedrigstem Niveau.

Als Sensation galt Mitte der 80er-Jahre der vom begnadeten Verkäufer Malcolm Bricklin für ganze 3990 Dollar feilgebotene Yugo, ein einfach konstruiertes Derivat des Fiat 127. Fast 50000 Einheiten wurden im Modelljahr 1987 an den Mann gebracht – trotz kritisch-amüsierter Berichte der Fachpresse, in der man den sofort einsetzenden Erfolg des Kleinstwagens mit ungläubigem Staunen verfolgte. Es dauerte indessen nicht lange, bis sich die gravierenden Qualitätsmängel des Yugo herumsprachen, und die Verkaufszahlen fielen ins Bodenlose, obwohl Yugo sukzessive an der Qualität arbeitete und zusätzliche Varianten vorstellte.

Ähnlich erging es Hyundai; nachdem Amerika der Marke Mitte der 80er-Jahre einen äußerst freundlichen Empfang bereitet hatte, fielen Qualitätsprobleme auf. Umgehend rauschten die Verkaufszahlen in den Keller, wo sie dann für mehr als ein Jahrzehnt verharrten, obwohl Hyundai sich rasch ans Werk gemacht hatte. Die Koreaner durchschritten das Tal der Tränen; den während des Jugoslawien-Krieges zerstörten Zastava-Werken, wo der Yugo zusammengeschraubt wurde, blieb diese Option verwehrt.

Dass Geländewagen schneller umkippen als tiefliegende Personenwagen, ist der Physik geschuldet – was Behörden und Verbraucherschützer nicht daran hinderte, Modelle wie den Suzuki Samurai und den Isuzu Trooper, in Deutschland als Opel Monterey verkauft, an den Pranger zu stellen. Die Auswahl scheint dabei eher dem Zufallsprinzip zu folgen, doch die Empörung schlug hohe Wellen, das Markenimage von Suzuki blieb lange beschädigt, während Isuzu komplett verschwand.

Schuld war der Reifendruck

Einer ähnlichen Kampagne sah sich auch der beliebte Geländewagen Ford Explorer zum Opfer gefallen: Reifenplatzer hätten zu zahlreichen Unfällen geführt; dass der Reifendruck dabei meist viel zu niedrig war, wurde unterschlagen. Hätte man nicht einen Südenbock in Form des traditionsreichen Reifenherstellers Firestone gefunden, wäre die Erfolgsgeschichte des Explorer eine kurze geblieben. Dafür wurde die Marke Firestone praktisch irreparabel beschädigt.

Selbst das Liebkind der Verbraucherschützer, die Marke Toyota mit ihrem noblen Ableger Lexus, konnte ihren Ruf nur mit Mühe verteidigen. Man versuchte, den Japanern aus einem Unfall einen Strick zu drehen, bei dem sich eine von einem Händler installierte Fußmatte unter dem Gaspedal verheddert hatte. Zynikern fiel damals auf, dass die Kampagne erheblich an Schwung verlor, nachdem Toyota eine Fabrik im kalifornischen Fremont zu bemerkenswert günstigen Konditionen an Tesla weitergereicht hatte.

Und es sind jene Vorurteile, die auch noch 30 Jahre später als Grundierung der Diskussion dienen, in deren Zentrum sich der VW-Konzern heute sieht. (ampnet/jm)

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