Beflügelt durch die seit zwei Jahren geltende Pflicht zur "geeigneten Bereifung", erlebt jetzt kurz vor dem Start in die kältere Jahreszeit auch der Online-Markt an gebrauchten Winterreifen wieder einen regelrechten Boom. "Der Wunsch nach einem möglichst kostengünstigen Satz M+S-Reifen ist verständlich, doch wer Gebrauchtreifen im Internet kaufen will, sollte sich dabei der Risiken und Nebenwirkungen bewusst sein", so warnt Peter Hülzer, geschäftsführender Vorsitzender des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV e.V., Bonn).
Nicht alles, was sich auf der Web-Plattform gut liest oder auf dem eingestellten Foto gut aussieht, genügt den Anforderungen, die an eine "geeignete Bereifung" für den Winter zu stellen sind. Vier Millimeter Restprofil sollten es mindestens sein, so empfehlen Reifenexperten trotz der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestprofiltiefe von nur 1,6 Millimetern. Denn darunter sind die Lamellen, die die Griffkanten des Reifens vergrößern, nicht mehr vollständig vorhanden, der Vorteil des speziellen Winterreifenprofils ist somit dem nutzungsbedingten Abrieb zum Opfer gefallen.
Auch ein weiteres Charakteristikum der speziellen Winterpneus - die weichere Gummimischung, die für mehr Grip auf kalten, schnee- oder eisbedeckten Strassen sorgt - gehört möglicherweise zum Zeitpunkt des Kaufs schon der Vergangenheit an. Denn mit steigendem Reifenalter verhärtet sich das Material selbst bei Reifen, die noch nie auf einem Fahrzeug im Einsatz waren, seit sie in der Produktionsstätte vom Band gelaufen sind. "Ein ungebrauchter Reifen gilt bis zu fünf Jahre ab Produktionsdatum noch als neuwertig", erläutert Hans-Jürgen Drechsler, Geschäftsführer und Technikexperte beim BRV, "das heisst, dass seine Gebrauchseigenschaften denen eines Neureifens entsprechen". Dabei schränkt er allerdings ein: "Voraussetzung hierfür ist, dass er stets sachgemäss gelagert wurde!"
Dass bei Second-Hand-Reifen allein aufgrund der bisherigen Nutzung schon Abstriche in punkto Gebrauchseigenschaften zu machen sind, liegt auf der Hand. Wie gross diese aber tatsächlich sind, bleibt letztlich das Risiko des Käufers. Hier mag zwar die Faustregel helfen: je älter der Reifen, desto höher ist dieses. Doch auch bei neueren Gebraucht-Pneus gibt es keine Garantie, denn wie ein Reifen in seinem "Vorleben" behandelt wurde, sieht man ihm nicht unbedingt an; schon gar nicht auf einem briefmarkengrossen Bildchen im Internet. Übrigens auch nicht, ob sein Vorbesitzer der rechtmässige Eigentümer war. Schlechtestenfalls kann einem das vermeintliche Schnäppchen deshalb schon kurz nach dem Kauf den Dienst versagen oder die Polizei ins Haus bringen.
"Da der Reifen ein extrem sicherheitsrelevantes Fahrzeugteil ist, raten wir wegen der erwähnten Risiken vom Gebrauchtreifenkauf im Internet grundsätzlich ab", so resümiert BRV-Chef Hülzer.
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