Volvo hat dieses eingebaute Limit nun auf 180 km/h festgelegt, gültig für das Modellbaujahr 2021, und spricht dabei interessanterweise von „abgesichert“. Das Wort ist mit Bedacht gewählt, denn es schwingt „Sicherheit“ mit. Soll wohl andeuten, dass sich die Insassen solch eines Autos im besten Sinne in Sicherheit wiegen können. Und dafür will Volvo künftig mit seinem Namen stehen. Dementsprechend fällt die Begründung für die Tempobremse aus: Weil überhöhte Geschwindigkeit die häufigste aller Unfallursachen ist.
Ohne Zweifel spielt zu viel Tempo beim Unfallgeschehen eine Rolle. Aber nicht, wie mit dieser Aktion insinuiert wird, dass die Raserei auf Autobahnen das Übel wäre, das an der Wurzel angepackt werden müsste. Denn: Was ist Raserei? Tempo 35 in der 30er-Zone? 60 km/h in der 50er-Zone? Oder 160 Sachen auf der Autobahn bei freier Fahrt? Etwa drei Viertel all jener Unfälle mit Verletzten und Toten, die auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sind (sofern das überhaupt zu ergründen ist), passieren in Städten, auf Land- oder auf Bundesstraßen.
Tun die was für die Verkehrssicherheit?
Und dort gibt es seit Jahrzehnten jeweils Tempolimits – nämlich 50, 80 oder 100 km/h. Was also will Volvo erreichen, wenn man mal von einer Marketing-Neupositionierung am Markt absieht? Einfache Antwort: Die Aussage soll sich im Bewusstsein künftiger Autokäufer mit dem Gefühl verankern, dass Volvo eine Art Lebensretter ist, der Verantwortung übernimmt. Gewünschtes Motto im Bauch der Volvo-Kunden: Die tun was für die Verkehrssicherheit.
In der Pressemitteilung vom 20. Mai wird dazu folgendermaßen argumentiert: „Als Vorreiter der automobilen Sicherheit geht Volvo einmal mehr mutig und konsequent voran. Wie schon mit der Einführung des Drei-Punkt-Sicherheitsgurts im Jahr 1959, der weltweit mittlerweile mehrere Millionen Menschenleben gerettet hat, sendet der schwedische Premium-Automobilhersteller erneut ein starkes Signal: Mit der Absicherung auf 180 km/h ... nimmt das Unternehmen seine Verantwortung wahr und arbeitet aktiv auf das Ziel hin, die Zahl der Toten und Verletzten im Straßenverkehr auf null zu minimieren.“ Das klingt ehrenhaft und ist auf den ersten Blick auch plausibel.
Appell ans moralische Gewissen der Kundschaft
Bei genauer Betrachtung sieht es jedoch anders aus. Denn während Volvo vor allem auf das moralische Gewissen der Kundschaft setzt, dass derjenige, der Leben retten will, immer zu den Guten zählt und mit diesem Anspruch Punkte auf dem Konto der Ehrenhaftigkeit sammelt, muss man zwei Begrifflichkeiten sauber unterscheiden, mit denen hier unterschwellig hantiert wird: Es geht einerseits um die so genannte aktive und andererseits um die passive Sicherheit.
Aktive Sicherheit bedeutet, dass der Hersteller Systeme ins Auto einbaut, die es ermöglichen, einen Unfall (aktiv) zu verhindern. Das wäre zum Beispiel das Elektronische-Stabilitätsprogramm (ESP), das in zu schnell angefahrenen Kurven das Gas automatisch und rechtzeitig wegnimmt, weil es in Millisekunden den entsprechenden Lenkeinschlag mit der Geschwindigkeit abgeglichen hat. Und passive Sicherheit heißt, dass es im Auto technische Einrichtungen wie Sicherheitsgurte, Gurtstraffer, Airbags oder Knautschzonen gibt, die bei einem Unfall die Auswirkungen minimieren. Volvo vermischt beides bei der neuen Tempolimit-Argumentation. Motto: Egal ob aktiv oder passiv, Hauptsache Leben retten. Denn diese Botschaft ist nicht nur super glaubwürdig, sie lässt sich obendrein auch prima vermarkten.
Tempo führt nicht automatisch zur Gefährlichkeit
Die Wahrheit ist jedoch, dass das Tempo an sich kein Kriterium ist, das automatisch zu mehr Gefährlichkeit führt. Es ist vielmehr der Umgang damit und die Fähigkeit des Menschen, es zu kontrollieren oder es zu beherrschen. Genau an dem Punkt der menschlichen Fehlbarkeit setzt Volvo mit der neuen Aktion an, um eine Art von Verkaufsargument zu zimmern. (ampnet/hk)
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