"Ein VW, wie es noch keinen gab", versprach die Werbung. Und sie hatte Recht. Erstmals besass ein Volkswagen eine selbsttragende Karosserie mit wahlweise 4 Türen, mehr Platz als jeder andere Volkswagen und einen grösseren Radstand als der Käfer. Im Heck des VW 411 arbeitete ein neukonstruierter, leistungsstarker und mit Luft gekühlter 1,6-Liter-Boxermotor mit 68 PS, der selbst bei Dauerfahrten mit der Maximalgeschwindigkeit von 145 km/h keinen Schaden nahm. Für eine sichere Strassenlage sorgte das neuartige Sportfahrwerk mit Federbein-Vorderachse und Doppelgelenk-Hinterachse, das auch im Porsche 911 verwandt wurde. Ausgestattet war die Mittelklasse-Limousine mit dem "Luxus eines Luxuswagens". Der in einer Normal- und einer L-Ausführung erhältliche "Grosse aus Wolfsburg" bot dem Kunden Platz- und Fahrkomfort, erhöhte Fahrsicherheit, einen insgesamt 570 Liter grossen Gepäckraum in Heck und Vorderwagen sowie - gegen Aufpreis - ein bequemes Automatic-Getriebe. Begonnen hatte die Geschichte des als Typ 4 bezeichneten Fahrzeugs 1962 als Entwicklungsauftrag EA 142. Die wirtschaftliche Kalkulation für den im Februar 1967 beschlossenen Serienanlauf ging bei einer Tagesproduktion von 1000 Wagen von 822'500 verkauften Fahrzeugen in vier Jahren aus. Erhältlich war der VW 411 zu Preisen zwischen 7770 und 9285 DM. Der VW 411 war im Vergleich zum 1961 erschienenen VW 1500/1600 deutlich grösser und besser ausgestattet. Volkswagen beabsichtigte, ihn in der von Volkswagen mit dem Käfer und dem Typ 3 nicht erreichbaren oberen Mittelklasse zu etablieren und mit der Verbreiterung der Modellpalette die Marktposition langfristig auszubauen. Die Werbung stellte daher die technischen Neuerungen und das hohe Mass an Komfort in den Vordergrund, liess aber auch typische Volkswagen Vorzüge wie Qualität, Wirtschaftlichkeit und Service nicht unerwähnt. Die Resonanz auf den VW 411 war bis zur Markteinführung am 5. Oktober 1968 bei Händlern, Presse und Kundschaft durchaus positiv. Nach der Markteinführung verminderten Kupplungsschäden an den ersten ausgelieferten Fahrzeugen und eine zunehmend negative Presse die Absatzchancen. Motor- und Fahrgeräusche, die begrenzte Leistung des Motors und die als unästhetisch empfundene Frontansicht nannten Kunden als Hauptmängel. Da die Käufer des VW 411 zu über 80 % schon Kunden von Volkswagen waren, misslang die Eroberung neuer Käuferschichten. Infolge der Absatzschwierigkeiten, die auch durch verkaufsfördernde Massnahmen nicht behoben werden konnten, reduzierte Volkswagen die Produktion zeitweise auf 75 Wagen pro Tag. Zum Modelljahr 1970 brachte Volkswagen mit dem VW 411 E eine verbesserte Version auf den Markt. Der Einsatz der elektronisch gesteuerten Benzineinspritzung steigerte die Motorleistung auf 80 PS und die Front, die ihm im Volksmund die Bezeichnung Nasenbär eingebracht hatte, war durch ein Facelift verändert worden. Noch mehr Platz für Gepäck brachte die Einführung des VW 411 E Variant, der sich bald doppelt so gut wie die Limousine mit Fliessheck verkaufte. Der 1971 geplant anlaufende Export des Typ 4 in die USA, wo er sich besser als erwartet verkaufte, nahm bald rund 40 % der Gesamtverkäufe ein. 1972 folgte ein neuerlich aufgewertetes und nunmehr als VW 412 benanntes Modell. Die Produktion des Typ 4 erfolgte bis 1973, als die Produktionslinie nach Salzgitter verlagert wurde, im Werk Wolfsburg und parallel dazu von 1969 an bei der Volkswagen of South Africa. Obgleich der VW 411/412 keine Verkaufsrekorde brach, nimmt er als letztes grosses Serienmodell mit Luftkühlung und Heckmotor einen wichtigen Platz in der automobilen Geschichte von Volkswagen ein. Erinnert wird daran im Automuseum Wolfsburg mit einem Prototypen aus dem Jahr 1966. Vergessen ist der Typ 4 ohnehin nicht. In Fanclubs organisierte Freunde des Typ 4 aus dem In- und Ausland präsentieren seit 2005 regelmässig auf einem Stand bei der Techno Classica ihre liebevoll gepflegten automobilen Raritäten.
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