„Im vergangenen Jahr haben sich die Aktivitäten rund um das Thema automatisiertes Fahren nochmal deutlich verstärkt", erklärt Wolfgang Bernhart, Partner von Roland Berger. „Jetzt liefern sich OEMs, Zulieferer und Technologieunternehmen ein Rennen, wer die ersten hochautomatisierten Fahrzeuge für den Stadtverkehr auf den Markt bringt." Das Angebot an Fahrerassistenz-Funktionen sei seit der vorherigen Ausgabe des „Index Automatisiertes Fahren" bei fast allen Herstellern gewachsen. Dabei behalten die deutschen OEMs ihre Führungsposition bei, meint Bernhart. Sie bieten mittlerweile in fast allen Fahrzeugklassen entsprechende Systeme an, während die meisten anderen Hersteller ihr Angebot auf bestimmte Klassen oder spezifische Funktionen beschränken.
Doch entscheidend für den Vorsprung im Rennen um das vollautonome Fahren sei die Entwicklung und Erprobung der Technologie im realen Straßenverkehr. „Die Algorithmen der Fahrzeuge müssen trainiert werden", erläutert Christian Burkard, Senior Consultant der fka. „Das kann zwar zu mehr als 95 Prozent in virtuellen Umgebungen erfolgen, doch reale Testflotten sind weiterhin notwendig." Und: „Je früher die Systeme kommerziell in Flotten eingesetzt werden, desto schneller können sie weiterentwickelt werden. Dann entsteht ein sich selbst verstärkender Effekt, der genutzt werden kann, um eine dominierende Marktposition aufzubauen."
Besonderen Erfolg bescheinigt der Index in dieser Hinsicht den amerikanischen Herstellern, unterstützt durch die regulatorischen Rahmenbedingungen: „Im Gegensatz zu Deutschland und Europa erlauben die gesetzlichen Vorgaben in den USA bereits heute einen kommerziellen Einsatz des hochautomatisierten Fahrens", sagt Bernhart. „Durch unkomplizierte Zulassungsverfahren werden Testflotten möglich, die mehrere hundert Fahrzeuge umfassen – ein Vielfaches gegenüber dem, was in Europa angedacht ist." Daher – so Bernhart – dürfte ein Großteil der bereits laufenden oder geplanten Tests in den USA stattfinden, wodurch die dortigen Hersteller ihre führende Position in diesem Technologiefeld weiter ausbauen und die Ansiedlung von Hightech-Unternehmen gefördert werden dürften.
Deutschland werde seine Vorreiterrolle als Technologie- und Wissensträger vorerst weiterhin behalten, prognostizieren die Studienautoren. Das sei jedoch keine Garantie dafür, dass das Land auch in Zukunft bei der hochautomatisierten Mobilität vorne mitspielen werde. „Die Gesetzgebung muss mit der Entwicklung Schritt halten, wenn Deutschland beim Thema automatisiertes Fahren mit den USA auf Augenhöhe bleiben will", warnt fka-Experte Burkard. „Die Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes im Frühjahr 2017 weist schon in die richtige Richtung, allerdings erlaubt sie bei weitem noch keinen Durchbruch zur vollständigen Automatisierung auf öffentlichen Straßen."
Auch in China, wo derzeit das Testen automatisierter Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen noch verboten ist, wird ein Gesetz vorbereitet, das die Rahmenbedingungen und Anforderungen dafür definieren soll. „Wenn es in China zu einer Lockerung kommt, kann sich das Rennen um die Führungsrolle beim automatisierten Fahren sehr schnell verschärfen", warnt Wolfgang Bernhart. Sein Fazit lautet daher: „Im Moment ist trotz der rasanten Entwicklung bei der Technologie für automatisierte Fahrzeuge noch alles offen. Wichtig ist aber, jetzt die Weichen richtig zu stellen – das gilt auch für den Gesetzgeber." (ampnet/Sm)
Die komplette Studie: www.fka.de/images/publikationen/2017/index-automated-vehicle-2017-q4-d.pdf
|