Alle Autojournalisten hatten seit der Premiere des XF die Gelegenheit gehabt, sich eine Meinung zu bilden. Umso mehr überraschte jetzt bei der Präsentation des Neuen, wie häufig die Frage zu hören war: Wie findest Du den XF? Hinter dieser Frage stand nicht nur die sonst übliche Polarisierung in diejenigen, die ein Design mögen und die anderen, die es ablehnen. Vielmehr schien Unsicherheit zu sprechen. Was ist der Grund dafür, dass der XF sich dem Betrachter nicht so spontan erschliesst wie das bei anderen Fahrzeugen normalerweise geschieht? Liegt es an dem Anspruch, den Jaguar schon vor der Enthüllung formulierte? Danach wollte man Zeichen setzen und dabei nicht nur den Sprung der Marke in die Zukunft einleiten, sondern eben auch das Design voranbringen. Das klang so, als plane man den grossen Schnitt oder die komplette Überwindung der Vergangenheit, die schliesslich in jüngster Zeit wenig erfolgreich verlief. Jetzt hörte man bei den Präsentationen der Designer viel über das Jaguar-Erbgut, das man auch beim XF wiederfinden könne. Dabei war aber nicht das Jaguar-Image als klassische Sportlimousine mit starken Motoren und guten Fahreigenschaften gemeint. Plötzlich und unerwartet sahen die Designer nahezu jede Fläche, Rundung oder Kante als ein Zitat eines Jaguar-Designs der Vergangenheit. Fakt ist, dass der Jaguar XF keineswegs den mutigen Sprung in die Zukunft des automobilen Designs darstellt. Er reiht sich vielmehr ein bei den sportlichen coupéähnlichen Limousinen der gehobenen Mittelklasse - anders als ein Audi, eleganter als ein BMW, sportlicher als ein Mercedes-Benz mit deutlichen Parallelen zum hauseigenen Sportwagen XK, vehement abgestrittenen Ähnlichkeiten mit dem Lexus und einem leichten Schielen auf den Maserati Quattroporte. Es ist nicht der Windkanal, der die Formen beim Jaguar glatter wirken lässt. Jeffrey L. Scott, Deutschlandchef von Jaguar, freut sich schon nach den ersten 500 Bestellungen des XF aus Deutschland, dass 40 Prozent der Käufer nicht gestandene Jaguar-Fans, sondern Neukunden sind. Weil die Marke und das Design so anziehend wirken, hofft Scott sogar, bei den Neukunden rasch einen Anteil von 60 Prozent zu erreichen. Besonders im Auge hat er dabei bisherige BMW-Käufer. Nicht alle lieben die als richtungweisende und spannunggeladene gepriesene Gestaltung des Münchners Design. Die Sehnsucht nach Harmonie und Eleganz wollen viele ebenfall befriedigt sehen. Was erwartet also den zweifelnden BMW-Fan bei seinem ersten Kontakt samt Probefahrt? Die berühmte Kühlerfigur des springenden Jaguars, die auf den Namen "Leaper" hört, haben die Vorschriften zum Fussgängerschutz von der Motorhaube vertrieben. Sie findet sich beim XF im Halbprofil auf der Heckklappe wieder. Traditionalisten mögen das bedauern, Aerodynamiker nicht. Jaguar hat sich viel einfallen lassen, um zu zeigen, dass sich der XF auf der Höhe der Zeit bewegt. Dazu dient Elektronik allerorten und eine kräftig blau leuchtend Ambientebeleuchtung bei Nacht. Am auffälligsten präsentiert sich der XF, wenn der Fahrer ihn zur Fahrt einlädt. Denn mit dem Druck auf den Startknopf springt nicht nur der Motor an. Der ganze XF wacht dann scheinbar und sichtbar auf: Die im Ruhezustand verschlossene Lüftung fährt ihre Ausströmer auf, und aus der Mittelkonsole erhebt sich ein Drehrad, mit dem man das Getriebe steuert. Der XF-Charkter folgt so dem Zeitgeist - Ausserdem liegt der XF leicht bis deutlich unter dem Preisniveau der anderen Fahrzeuge seiner Leistungsklasse. Der Jaguar kann also mit den Wölfen heulen. (ar/Sm)
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