Dienstag, 26. November 2019 Guangzhou 2019: Wie China die Autowelt verändert
Guangzhou Auto Show 2019: Hongqi. Foto: Auto-Medienportal.Net/Des Sellmeijer
Während die meisten Medien von der Los Angeles Auto Show in Kalifornien berichten, findet gleichzeitig im Fernen Osten eine nicht minder wichtige Automesse statt: Die Guangzhou Auto Show 2019 in Kanton, der Hauptstadt der Provinz Guangdong mit mehr als 100 Millionen Einwohnern, unweit von Honkong und Macao. Mehr als 900 000 Besucher konnte die Messe zuletzt verzeichnen; sie gibt traditionell einen guten Überblick über die Entwicklung von Markt und Herstellern in China.
Erster Eindruck: 15 Hallen sind gut gefüllt, nahezu alle großen chinesischen und ausländischen Marken sind heuer in Kanton vertreten. Auch Liebhaber von Luxusautos und Exoten kommen auf ihre Kosten; unter anderem zeigen Aston Martin, Bentley, Lamborghini, Lotus, McLaren, Porsche und Rolls-Royce ihre neuesten und schönsten Modelle. Nur Ferrari ist nicht dabei. Was für ein Kontrast zur schlechten Beteiligung auf der jüngsten Frankfurter IAA!
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Die Chinesen holen schnell auf
Noch vor wenigen Jahren wurden die chinesischen Hersteller für ihre merkwürdigen Designs und schwache Produktqualität verspottet. Aber diese Messe ist ein Augenöffner für den Rest der Welt: China holt auf – und zwar schnell. Noch immer gibt es eine neue Marke nach der anderen. Aber die Autos sind besser geworden, und die Präsentation hält jedem Vergleich stand. Überall gibt es visuelle Erlebnisse: Spiele, interaktive Präsentationen, Live-Vorführungen und mehr. All dies soll die Besucher an die Stände fesseln und ihnen die Marken nahebringen. Als Vorbild dafür diente offensichtlich die Präsentation von Mini – aber die Chinesen haben den Ansatz der BMW-Tochter übernommen und so weit verfeinert, daß der Mini-Stand im Vergleich zu ihnen langweilig wirkt.
Was für den Markenauftritt gilt, gilt auch für die Produkte. Das Exterieurdesign ist noch immer Geschmackssache und lenkt bisweilen von den inneren Qualitäten ab. Aber im Interieur zeigen die Chinesen, daß sie ihre Kunden verstanden haben: Große Bildschirme, berührungsempfindliche Flächen, Konnektivität. Als Inspiration dafür dienen offensichtlich nicht mehr die europäischen Premiummarken, sondern Tesla und Smartphones. Die junge, technikaffine Generation der Chinesen findet daran Gefallen, die Stände waren sehr stark frequentiert. Das Durchschnittsalter der Käufer ist übrigens viel niedriger als in Deutschland oder den USA. Und die Kunden bezahlen den vollen Kaufpreis, anstatt zu finanzieren oder zu leasen.
Während die Stände der chinesischen Hersteller geradezu summten, war bei Audi, Volkswagen und bei den meisten Japanern überraschend wenig Publikumsverkehr zu verzeichnen. Eigens für China entwickelte Modelle bei Nissan und Toyota oder bei Volkswagen, zum Beispiel Phideon und Lamando, wirken mit ihren kleinen Bildschirmen und begrenzter Konnektivität erstaunlich altmodisch. Bei VW fehlte der Golf VIII, statt dessen dominierten ein T-Cross-Pendant namens Taqua, der Touareg Hybrid und ein Großraum-Konzept namens Viloran.
Elektroautos werden neubewertet
Die Signale zur E-Mobilität sind übrigens gemischt: Die Zahl der Elektroautos sind dank staatlicher Subventionen zwar in den letzten Jahren stark angestiegen, aber nachdem die Regierung jüngst die Subventionen sowohl für Hersteller als auch für die Kunden zurückgefahren hat, sind die Verkaufszahlen eingebrochen. Daimler-Chef Ola Källenius ist dennoch vorsichtig optimistisch, da es im weniger preissensiblen Luxussegment noch nicht viel Konkurrenz gibt.
Weitaus mehr Aufmerksamkeit zog der Mercedes-Maybach GLS 600 auf sich, der seine Weltpremiere feierte. Nicht ganz zufällig, denn mehr als zwei Drittel aller Maybach-Verkäufe finden in China statt. Der neue GLB dürfte seine Liebhaber finden, genauso wie der Mercedes-AMG A35 L als verlängerte, leistungsstarke Kompaktlimousine. Und das EQS-Forschungsauto liefert konkrete Hinweise auf ein neues elektrisches Spitzenmodell, dessen Positionskampf mit der S-Klasse noch interessant zu beobachten sein wird.
Doch am interessantesten fanden wir den Denza X, ein SUV, das es sowohl als Plug-in-Hybrid als auch mit vollelektrischem Antrieb gibt. Das von Daimler-Designern gezeichnete Produkt eines Joint Ventures von Daimler und BYD will in seiner elektrischen Variante stolze 520 Kilometer weit kommen und spurtet in ganzen 4,3 Sekunden von null auf 100 km/h.
China wird stark
Fest steht: Der chinesische Markt bleibt stark – trotz Handelskrieg und gestrichener Subventionen für Elektroautos. Die Fortschritte der heimischen Industrie sind unübersehbar, teilweise geradezu unglaublich. In den Bereichen Interieur und Konnektivität sind sie führend. Abzuwarten bleibt, ob sie auch fahrdynamisch die hochgesetzten Erwartungen erfüllen – und sich damit auch im Rest der Welt behaupten können. (ampnet/des/GTspirit.de)
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